Unterwegs mit dem anderen Zauberer - Eine Reise zur Heilung
(Following the other Wizard - A Journey into Healing)
von jodancingtree, übersetzt von Cúthalion



Kapitel 33
Fort aus Mordor

Es würde nie genug Regen geben, um Gorgoroth in Waldland zu verwandeln, aber jetzt wuchs dort mehr als nur Dornbüsche. Weiden und Brombeeren hatten entlang der Ströme Wurzeln geschlagen, und Vögel nisteten dort. Der größte Teil des Plateaus war von hartem, kurzen Gras und Kräutern bedeckt; im Frühling war es ein Blütenteppich. Kaninchen fanden Zuflucht im Dickicht, und Füchse waren zurückgekehrt, um sie zu jagen.

Frodo und Radagast standen noch immer in der Morgendämmerung auf, aber immer häufiger sang Frodo, während er das Frühstück zubereitete, seine Stimme ein leiser Kontrapunkt zum morgendlichen Chor der Vögel. „Heute früh ist es heiß,“ sagte er und brach sein Lied ab. „Der Sommer kommt, Radagast. Wo sollen wir dieses Jahr hingehen?“

Er hatte den Überblick über die Jahre verloren. Die Zeit wurde im Kreislauf von Winter und Frühling, Sommer und Herbst gemessen, während er und Radagast seine Runden von Gorgoroth zum Morgai machten, manchmal hinunter zum Núrnenmeer und in die westlichen Berge. Sie mieden die Gegend um Barad-dûr, und sie kehrten nicht in den Nordosten zurück, wo die Orks sich ihre Heimat geschaffen hatten.

Radagast wanderte im Lager herum und rauchte. Frodo warf ihm einen Blick zu; vor dem Frühstück war nicht die Zeit für eine Pfeife, weil sie den Appetit auf das Essen dämpfte, aber er sagte nichts.

„Es wird Zeit, dass wir Mordor verlassen, Esel.“

Frodo sank auf die Fersen zurück und starrte ihn an. „Wirklich? Und wo gehen wir von hier aus hin?“

Wenn irgendjemand ihm gesagt haben würde, dass es ihm einmal Leid täte, das Schwarze Land zu verlassen, er hätte gelacht. Aber jetzt war die Zeit gekommen -

Für eine ganze Lebensspanne war Mordor seine Heimat gewesen, gleichzeitig Prüfung und Belohnung für die Hoffnung und Geduld, die er dorthin mitbringen konnte. Vielleicht war es die Aufgabe des Zauberers gewesen, aber er hatte daran teilgenommen; seine eigene Mühe hatte geholfen, dieses öde Land wieder zum Leben zu erwecken. Und als ob das noch nicht genug gewesen wäre, hatte er auf die Rettung der Orks gesetzt und gewonnen. Er war Teil eines Wunders gewesen, und wer in der Welt draußen würde ihm glauben, wenn er versuchte, ihnen davon zu erzählen?

Ich habe in Mordor meine Bestimmung gefunden, dachte er. An dem Tag, als er mir das Leben rettete, sagte Radagast mir, dass es das war, was ich brauchte...

Die Stimme des Zauberers durchbrach seine Gedanken. „Ich gehe in den Osten, mit einem Auftrag, der nicht der deine ist. Und wenn du dein Versprechen an deinen kleinen Gärtner halten willst, dann ist es für dich Zeit, nach Hause zu gehen.“

Nach Hause! Frodo stand auf und starrte hinaus auf den Horizont, aber er sah nicht das flache Gorgoroth-Plateau, dessen Gras sich in der Morgenbrise neigte. „Das Auenland,“ flüsterte er. Als ob schon der Name selbst die Macht hätte, den Ort heraufzubeschwören, sah er die süßen, grünen Hügel, Beutelsend, das wie ein Edelstein in seinem Garten ruhte, und Sam mit einer Hacke in der Hand, wie er sich über seine Arbeit beugte. All das zog in einem kurzen Moment vor seinen Augen vorüber, und die Sehnsucht danach presste ihm das Herz zusammen.

„Ja, ich muss nach Hause gehen. Wie lange bin ich fort gewesen?“ Er verfiel in Schweigen und versuchte, die Jahre aufzurechnen, aber sie verschwammen unzählbar ineinander.

„Lang genug, Esel, dass dein Haar grau ist.“ Radagast legte ihm eine liebkosende Hand auf den Kopf. „Du wirst alt, und Samweis ebenfalls. Wir haben in Mordor getan, was wir konnten, und jetzt darfst du dich nicht länger aufhalten, ebensowenig wie ich. Wir haben die Wegscheide erreicht.“

„Nein, Radagast! Wirst du nicht mit mir reisen? Kann dein Auftrag nicht noch ein wenig länger warten, damit du mich heim begleiten kannst?“

Das Grinsen des Zauberers war ein weißes Aufblitzen in seinem braunen Gesicht. „Versuch nicht, mir weiszumachen, dass du Angst hättest, allein zu reisen, Frodo! Ich kenne deinen Mut besser.“

„Keine Angst – nur nicht willens, mich von meinem Meister zu trennen, bevor ich es muss.“ Er blickte den Zauberer fast scheu an. „Was ich für Sam war, das bist du für mich – abgesehen davon, dass du mir das Leben gerettet hast, während ich ihn beinahe seins gekostet hätte. Nein,“ sagte er und lächelte, um der Besorgnis des Zauberers zuvorzukommen. „Ich kehre nicht mehr zu dieser Reue zurück – wir haben getan, was wir tun mussten, wir alle. Ich hätte deine Gesellschaft nur gern noch ein wenig länger. Es ist eine lange Reise, so ganz allein.“

„Ich werde mit dir gehen, Esel,“ sagte Radagast, „Aber wir werden durch Gondor reisen; ich möchte einen Blick in die Bücherei in Minas Tirith werfen.“ Zu seiner Überraschung nickte Frodo.

„Ja. Ich würde gern Aragorn sehen – und Arwen.“

Sie beeilten sich nicht, aber nur einen Monat später durchschritten sie die Tore von Minas Tirith; es waren wunderschöne Tore, aus gehämmertem Stahl, und mitten in jedem Flügel mit einem eingelegten Weißen Baum in Mithril. Frodo blieb stehen, um sie zu bewundern und rief Radagast zu, dass er warten möchte.

„Gimli hat gesagt, er würde Handwerker mitbringen, um dabei zu helfen, die Stadt wieder aufzubauen – ich frage mich, ob er die Tore gemacht hat.“

„Und ich frage mich, ob Nano jemals einen Edelstein für die Königin geschnitten hat,“ sagte Radagast mit einem Lächeln. Die Tore standen offen, und sie traten ein, ohne aufgehalten zu werden, obwohl Wachen in der Tracht der Stadt am Torweg ihren Dienst versahen. Niemand schien den braunen Mann in den ausgeblichenen Gewändern und seinen kleinen Gefährten zu bemerken.

Sie folgten der Steinstraße, die sich durch die Ebenen der Stadt hinauf wand und blieben an einem offenen Stand stehen, um heißes Brot und Bier in Krügen zu kaufen, das sie tranken, während sie dort standen; als sie fertig waren, gaben sie die Krüge dem Besitzer zurück.

„Wisst Ihr, ob der König in der Stadt ist?“ fragte Radagast den Mann.

Der Mann schaute hoch zur Spitze der Veste, wo ein schwarzes Banner mit dem Weißen Baum im Wind flatterte. „Jawohl, er ist zuhaus, Herr. Seine Flagge weht da oben, seht Ihr? Gekommen, um den König zu sehen?“ Er starrte sie mit offener Neugier an.

Radagast grinste. „Dann hat er wohl viele Besucher ohne jeden Hofstaat? Und voller Straßenstaub?“

„Oh, er hat alle möglichen Besucher, der König Elessar. Wanderer heißt er freundlich Willkommen – er war selbst auf der Wanderschaft, so sagt man, ehe er nach Gondor kam. Geht nur weiter zum Palast hinauf, Herr; er wird schon darauf achten, dass für Euch gesorgt ist.“

Sie dankten ihm und gingen weiter, von der Menge in der belebten Straße angerempelt. Frodo zeigte ihm die wenigen Orte, an die er noch eine Erinnerung hatte. „Das sind die Häuser der Heilung da oben – dort bin ich ein und ausgegangen, um mir die Verbände wechseln zu lassen – oh, schau mal, Radagast! Ich glaube, das ist das Haus, in dem wir mit Gandalf gewohnt haben, nur dass es jetzt vorn einen kleinen Garten hat!“

„Bist du sicher, dass Samweis nicht nach Gondor umgezogen ist, Esel? Es gibt sehr, sehr viele Gärten und Springbrunnen, und genügend Bäume für einen kleinen Wald, wenn man sie alle zu einer Gruppe zusammenstellen würde.“ Frodo schaute ein wenig verstört drein, und der Zauberer lachte. „Ich mache nur Witze, mein Junge. Wenn Sam so weit gekommen wäre, dann hätten wir ihn in Mordor gefunden, auf der Suche nach dir. Die Königin hat wohl eher Elbengärtner aus Lothlórien mitgebracht.“

„Und Legolas sagte, er würde zurückkommen und hier wachsende Dinge pflanzen; ich frage mich, ob er das wohl getan hat. Oh Radagast, wäre es nicht schön, zu hören, was sie all diese Jahre getan haben?“ Frodos Augen funkelten, und er drängte sich mit einer Geschwindigkeit durch die vollen Straßen, die sie beide sehr schnell auf den offenen Platz vor den Toren der Veste brachte. Und sie wurden durch einen Trupp Soldaten zum Stehen gebracht, die aus den Toren kamen, in Formation aufmarschierten und auf Armeslänge vor ihnen anhielten.

„Der König entbietet Euch sein Willkommen, Frodo Beutlin, und er befiehlt, dass Euch und Eurem Gefährten jede Ehre erwiesen wird.“ Der Anführer der Kompanie trat zur Seite, und die Formation teilte sich und gab einen offenen Durchgang frei, mit fünf Mann auf jeder Seite in starrem Habacht.

Frodo starrte von den Soldaten zu Radagast, das Gesicht voller Verblüffung. „Komm, Junge... du kannst nicht zurück in die Wildnis flüchten,“ murmelte der Zauberer. „Die sind auch nicht schlimmer als ein Rudel Orks.“

Frodo verschluckte sich und hatte mit einem Lachanfall zu kämpfen. „Ich danke Euch, Hauptmann,“ sagte er höflich, als er wieder sprechen konnte, und er ging zwischen der Ehrengarde hindurch und durch das Tor, Radagast dicht hinter sich.

Im Vorhof des Weißen Baumes kam ihnen ein kleiner, runder Mann entgegen; er war in schwarzen Samt gekleidet, der mit silbernem Tuch abgesetzt war, und eine schwere Goldkette hing um seinen Hals. „Gute Herren, gute Herren, Ihr seid höchst Willkommen! Die Königin befiehlt, das ich Euch in Eure Gemächer bringen soll, wo Ihr den Staub der Reise abwaschen und Euch erfrischen könnt; sie und der König haben den Wunsch, dass Ihr ihnen bei ihrer Abendmahlzeit Gesellschaft leistet.“

Er führte sie hinein und durch eine ganze Anzahl von Vorzimmern, mit weißen Marmorfußböden und Wänden voller Szenen aus Wald und Meer, so geschickt wiedergegeben, dass man kaum erkennen konnte, dass es sich nur um Farbe auf Stein handelte; aber die Außenmauer von jedem Raum hatte eine Reihe Fenster, die über Gärten und Bäume hinausblickten. Kleine Pfade schlängelten sich so verlockend dazwischen entlang, dass sich Frodo wünschte, sofort hinauszuschlüpfen und alles zu erkunden.

Die Gemächer, zu denen ihr Führer sie geleitete, waren mit einem Holz getäfelt, das einen schwachen, würzigen Duft an sich trug. Frodo und Radagast hatten jeweils eine Schlafkammer mit einem hohen, weißen Bett, eingefasst von tiefgrünen Vorhängen, und zwischen den Schlafkammern befand sich ein Wohnzimmer mit einem steinernen Kamin und Polstersesseln auf einem Samtteppich. Eine Tür mit Sichtfenster öffnete sich vom Wohnzimmer in einen ummauerten Garten, der von einem Weinstock beschattet wurde; er wuchs üppig an einer Laube entlang, und Massen von purpurnen Blüten hingen wie Trauben vom Blätterdach herab.

An der gegenüber liegenden Wand befand sich eine weitere Tür; der Mann öffnete sie und gab den Blick frei auf einen Raum mit einem tiefen Wasserbecken, das in den Boden eingelassen war; kleine Dampfkringel stiegen daraus empor. Da war eine Holzbank mit Handtuchstapeln dicht an der Wand, und die Decke wurde von vielen kleinen, getönten Fenstern durchbrochen, die ein rosiges Licht auf alles fallen ließen.

„Ich vertraue darauf, dass Ihr dies bequem finden werdet, edle Herren; Ihr werdet Kleider neben den Handtüchern zusammengefaltet finden, und wenn Ihr Eure Kleidung auf der Bank zurücklasst, nachdem Ihr gebadet habt, werden sie rein gebürstet und Euch zurückgegeben, bevor es Zeit ist, Euch den Majestäten anzuschließen. Dort auf dem Tisch sind Wein und Früchte,“ er nickte hinüber, „und wenn Ihr irgendetwas braucht, dann müsst ihr nur das Glockenseil neben der Tür ziehen, und jemand wird kommen, um Euch aufzuwarten.“

„Ich bin sicher, wir haben alles, was wir wünschen oder brauchen könnten,“ versicherte Radagast ihm mit einem Lächeln, „und für Eure Freundlichkeit sind wir in Eurer Schuld.“

„Nein, guter Herr.“ Sein unterwürfiges Benehmen verrutschte für einen Moment, und seine Stimme bebte vor Aufrichtigkeit. „Wir sind es, die in der Schuld des Ringträgers stehen, und in der Eures noblen Ordens. Mein Großvater kämpfte vor dem Morannon; ohne Frodo mit den neun Fingern wäre er dort gestorben.“ Er verneigte sich tief vor Frodo. „Ich schulde meine Geburt Eurer Treue, Ernil i Pheriannath,“ sagte er. „Ihr dürft um alles bitten, was Ihr Euch wünscht, und ich werde die Stadt auf den Kopf stellen, wenn nötig, um es für Euch zu finden.“

Frodo war rot geworden, aber er sagte nur: „Ihr seid mehr als gütig, und ich danke Euch.“ Der Diener verneigte sich noch einmal und verließ sie, und Frodo schüttelte den Kopf, als wollte er ihn klarbekommen.

„Eigentlich wollte ich auf dein höheres Alter Rücksicht nehmen und dich zuerst baden lassen, aber ich muss ins Wasser und diesen Berg unverdienten Lobpreis abwaschen, bevor er mir im Hals stecken bleibt.“

„Nun, Esel...“ begann Radagast, aber Frodo trat in den Baderaum und schloss die Tür zwischen ihnen.

„Ich habe getan, was ich tun musste – gerade eben – und es war genug,“ rief er durch die Tür zurück. „Ich kann damit leben, aber für meine Treue gepriesen zu werden, ist ein bisschen mehr, als ich vertragen kann, sogar jetzt noch! Gieß dir etwas Wein ein, Radagast – ich bin eine ganze Weile hier drin.“

Sie aßen im Turm der Königin zu Abend, nur sie vier neben einem Fenster, das auf die blinkenden Lichter der Veste hinausblickte.

„Wir werden euch morgen mit einem Staatsempfang Willkommen heißen, wo jedermann unsere edlen Gäste kennenlernen kann. Ja, Ringträger, du wirst es ertragen müssen,“ antwortete Arwen auf Frodos Grimasse hin. Sie lächelte und streckte ihm ihre Hand entgegen. „Als du nach Minas Tirith gekommen bist, da hast du gewusst, dass du dich einem Fest unterziehen musst; betrachte es als Ehre für deinen Reisegefährten, wenn dir das besser gefällt!“

„Du verdammst dich doch nicht mehr selbst, oder, Frodo?“ fragte Aragorn. „Du hast mir geschrieben, du wärst geheilt.“

Frodo begegnete seinem Blick, und das humorvolle Glimmen in seinen Augen beruhigte den König. „Ich bin geheilt; es geht mir wirklich gut! Aber ich habe mein halbes Leben in der Wildnis verbracht, Aragorn – ich würde lieber einem Drachen gegenüber treten als einem Raum voller Höflinge in modischen Kleidern.“

Aragorn warf den Kopf zurück und lachte – wie Frodo sich an dieses Lachen erinnerte! Auf ihrer verzweifelten Fahrt war es selten erklungen, aber es hatte ihn erwärmt und seinen Mut entflammt, wenn er es hörte. Sie sahen beide gut aus, der König und die Königin; ihre Gesichter glühten und ihre Blicke begegneten sich oft über dem Tisch, als gäbe es keine größere Freude für sie, als einander anzuschauen.

Das Abendessen setzte sich fort, ein Gang nach dem anderen, serviert von Jungen auf geräuschlosen Füßen, in Tuniken aus Weiß und Silber. Endlich wurde das Geschirr abgeräumt, und man ließ sie allein mit Pokalen voll süßem Wein und einer Platte mit knusprigen, dünnen Waffeln. Frodo stand auf.

„Mein Dank an unseren gütigen Gastgeber,“ er verbeugte sich vor Aragorn, „und an unsere Gastgeberin.“ Er verbeugte sich auch vor Arwen, dann ging er zu ihr und kniete sich vor sie auf dem gefliesten Boden. „Herrin, ich muss Euch ein Geständnis machen.“

„Wie das, Frodo,“ sagte sie überrascht, „was hast du mir denn zu gestehen, Lieber?“

Er langte in sein Hemd und zog den geschnitzten Bärenzahn heraus, den er um den Hals trug. „Ich habe Euer Geschenk fort gegeben, Herrin, und jetzt trage ich ein anderes.“

„Lass es mich anschauen,“ sagte sie, und er zog den Lederriemen über den Kopf und reichte ihr das Halsband. Es war grob genug, um die Wahrheit zu sagen, und in ihren anmutigen Händen noch mehr, ein großer, mit rauen Linien gravierter Hauer an einem Streifen Rohleder. Er hob das Kinn; er würde sich für Canohandos Geschenk nicht schämen, wie es auch in Minas Tirith wirken mochte! Er schloss die Augen und versuchte, sich das Gesicht des Orks ins Gedächtnis zu rufen.

„Ich sehe hier zwei Gestalten,“ sagte Arwen und Frodo fand in die Gegenwart zurück. „Eine ist sicherlich ein Ork, und die andere, das musst du sein. Wieso zeigt das Bild dich mit einem Messer?“

Er hielt ihr die offenen Hand hin. Arwen biss sich auf die Lippe, als sie auf den Stumpf seines fehlenden Fingers blickte, aber er schüttelte den Kopf und zog eine weiße Linie nach, die vom Ansatz des Mittelfingers über die Handfläche bis zu der fleischigen Wölbung unterhalb seines Daumens verlief.

„Das Messer wurde benutzt, um diesen Schnitt zu machen und mein Blut mit dem meiner Orks zu verbinden. Sie sind jetzt meine Brüder, Lash und Canohando.“ Seine Stimme sprach ihre Namen mit Zartheit aus.

„Sie tragen die Narben auch an ihren Händen,“ sagte Radagast. „Und Canohando trägt den Juwel der Königin.“

„Du hast mir geschrieben, du hättest ihn ihm gegeben,“ sagte Aragorn zu Frodo. „Und ich habe Befehl gegeben, dass ein Ork, der gefangen genommen wird und Arwens Juwel trägt, nicht erschlagen werden, sondern zu mir gebracht werden soll. Ein solcher Ork wurde noch nicht gesehen.“

„Der Edelstein war dein, Ringträger, um ihn zu behalten oder fortzugeben,“ sagte Arwen sanft. „Und Canohando hat diesen Zahn für dich geschnitzt? Willst du mir sagen, warum du ihm meinen Edelstein gegeben hast?“

Sie reichte ihm das Halsband zurück, und er legte es sich wieder um, bevor er antwortete. „Er brauchte ihn, Herrin, ebenso sehr wie ich, als Ihr ihn mir vor langer Zeit geschenkt habt.“ Arwen nickte ihm ermutigend zu. „Er wandte sich ab von der Finsternis, aber er war so allein – Lash hatte Frau und Söhne, aber Canohando hatte nur die Erinnerung an Yarga, der erschlagen wurde, während er ihn verteidigte. Da waren Blut und Feuer in seinen Augen, und er kämpfte so hart darum, sie zurückzuhalten...“

Er blickte zu Arwen auf, die eigenen Augen voller Tränen. „Der Edelstein hat mir Trost gebracht; Ihr hattet mir gesagt, dass er das tun würde. Ich schenkte ihn ihm zu seinem Trost, und ich bitte Euch, mir zu vergeben.“

Arwen nahm sein Kinn zwischen ihre Finger, beugte sich vor und streifte seine Stirn mit einem Kuss. „Dir ist vergeben, liebster Freund. Es ist klar, wie sehr du deine Orks liebst, wie du sie nennst, und ich hoffe, mein Juwel wird Canohando Frieden bringen.“

Aragorn saß da und drehte seinen Weinpokal in den Händen; seine Augen blickten weit in die Ferne. „Es ist eine merkwürdige Wendung, dass du nach Mordor zurückgekehrt bist, und dass diese Orks deinen Weg kreuzten und sich so veränderten. So etwas hatte ich mir nicht vorgestellt, als ich Radagast zu dir schickte, Frodo.“

„Du hast mir Radagast geschickt?“ Frodo starrte Aragorn an, und der König lächelte leicht.

„Ich hatte in meinem Geist keinen Frieden über dich, vor allem, nachdem Elrond und Gandalf abgesegelt waren. Arwen schickte für mich Nachricht an den Braunen Zauberer, damit er dich aufsuchte und sah, ob er dir Hilfe bringen konnte.“

Frodo blickte Radagast an; seine Lippen zuckten vor Belustigung. „Endlich die Wahrheit – wieso hast du mir erzählt, du wärest gekommen, um nach deinem Vogel zu schauen, als du mich gefunden hast? Und wie hast du mich gefunden, dort in der Höhle?“

Der Zauberer schüttelte den Kopf. „Das war Zufall, Esel, falls du an so etwas glaubst. Ich war auf dem Weg nach Beutelsend, aber ich hielt auf dem Weg an, um meine Patientin zu sehen, und da warst du! Und doch, ohne diesen Umweg hätte ich dich verpasst.“

Frodos Belustigung schwand. „Wenn du direkt nach Beutelsend gegangen wärst, wäre ich schon fort gewesen... und Sam hätte dich wahrscheinlich mitgebracht, als er zu dieser Höhle ging...“ Radagast nickte. „Ich wäre tot gewesen, bevor ihr dort hingekommen wärt,“ beendete Frodo seinen Satz. Plötzlich war ihm durch und durch kalt.

Radagast verließ seinen Platz, kam herüber und stellte sich hinter Frodo, seine Hände auf den Schultern des Hobbits. „Manchmal nimmt ein freundliches Schicksal uns bei der Hand, selbst wenn wir glauben, dass wir unsere eigenen Wege gehen,“ sagte er. „Alles, vom Leben deines kleinen Vogels – erinnerst du dich an Cuina? – bis zur Befreiung der drei Orks von Mordors Joch! Denn weißt du, Frodo... wenn du nicht nach Mordor gegangen wärst, dann wären sie nicht frei geworden. Du hast die Brücke geschaffen, die sie überschritten haben, und nur der Ringträger konnte sie auf die andere Seite führen.“

Frodo lehnte sich zurück gegen den Zauberer und schloss die Augen, und Radagast massierte ihm die Schultern; seine Finger schenkten Trost und Beruhigung. Aber Arwen regte sich in den seidenen Polstern ihres Sessels.

„Und was wird dabei herauskommen, was glaubst du? Ein uraltes Übel ungeschehen zu machen, wenigstens für ein Opfer – das ist eine mächtige Tat, und sie muss ihre eigenen Folgen haben. Einer ist tot, sagst du, aber was ist mit den anderen beiden? Wenn sie nicht mehr tun, als still auf ihrem Berg zu sitzen und eine Rasse von Orks hervorzubringen, die nicht von der Finsternis versklavt sind - “

„Ich habe meine Zweifel, dass Canohando sein ganzes Leben still sitzen wird,“ sagte Radagast. „Er fing bereits an, rastlos zu werden, als wir ihn zuletzt gesehen haben. Du könntest ihn eines Tages in Minas Tirith wiederfinden, auf der Suche nach der Königin, deren Edelstein er trägt.“

Frodo schaute besorgt drein. „Glaubst du wirklich, er würde herkommen, Radagast? Daran hatte ich nicht gedacht, als ich ihm den Juwel gab.“

„Nein, du hast ihn ihm geschenkt, um ihn zu trösten, Esel. Und das hat er getan, glaube ich, aber er könnte auch seinen Wissensdurst entflammen, zu erfahren, was er ist – und was noch aus ihm werden mag.“

„Und wäre er eine Gefahr, wenn er denn käme?“ fragte Aragorn.

Radagast dachte einen langen Moment darüber nach. „Nicht aus eigenem Willen,“ sagte er endlich.


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