Ein anderer Abschied (Another Way of Leaving)
von jodancingtree, übersetzt von Cúthalion


Kapitel 1:
Das letzte Abenteuer

Er ließ die Notiz für Sam gegen sein Kopfkissen gelehnt zurück, das Kissen, das er heute Nacht nicht brauchen würde, noch jemals wieder.

Es war natürlich eine Selbstmord-Notiz, aber er hoffte, dass Sam das nicht erraten würde. Er hatte schwer an dieser Notiz gearbeitet, so wenig sie auch aussagte. Der Versuch, seinen Dank auszudrücken – eine hoffnungslose Aufgabe, denn wie dankte man dem, der einem in die Grube gefolgt und einen wieder herausgezogen hatte? Selbst wenn man nicht hinaus wollte, selbst wenn die Grube der einzige anständige Ort für einen war, nach dem Ring.

Das hatte er nicht geschrieben, nur Danke. Nur, dass er seinen getreuen Freund niemals vergessen würde. Das würde er ganz sicher nicht, selbst wenn er lange genug lebte, um hundert zu werden (was nicht Teil seines Planes war). Geschrieben hatte er, dass er ein ganzes Leben im stillen Auenland nicht aushalten könne, dass er ein neues Abenteuer brauchte. Und das war Wahrheit genug.

Das letzte Abenteuer. Er schauderte unwillkürlich zusammen. Bevor diese Nacht vorüber war, würde er wissen, was auf der anderen Seite des Todes lag, wenn es denn dort etwas gab. Er hoffte es nicht.

Vergessen war alles, was er wollte. Ein Ende für den Schmerz, die Erinnerung, die brennende Sehnsucht nach dem Ding, das zu zerstören er nicht die Kraft gehabt hatte, das aber trotz seiner Schwäche zerstört worden war. Es war gut – gut! – dass der Ring vernichtet worden war, und sein tiefstes Bedauern war, dass er nicht gemeinsam mit ihm ins Feuer gegangen war. Der Ring hatte ihm die Hoffnung und allen Anstand geraubt, und es war die grimmigste Ironie von allem, dass er ihm sein Leben gelassen hatte. Ein Leben, das er nicht länger wollte.

Nun, der Ring war fort und konnte keinen Schaden mehr anrichten. Er war sein letztes Opfer, und er würde dafür sorgen, dass er tatsächlich das letzte war. Seine Verletzungen quälten ihn mehr und mehr, und er spürte, wie sich die Dunkelheit in seinem Geist ausbreitete... die Schwermut, die täglich schwerer zu verbergen war, die Selbstverachtung, die dafür sorgte, dass er sich in seinem Studierzimmer versteckte und nur Sam und Rose sah, und dass er schrieb, immerzu schrieb.

Das Schreiben war jetzt getan; das Buch war vollendet. Nichts mehr als das hatte er zu tun, und so würde er fortgehen, bevor sich seine Finsternis von ihm her ausbreitete und jeden um sich ansteckte. Es war zuviel, als dass er es ertragen konnte... dass er Sam mit sich in die Tiefe zerren könnte, nach all dem, was Sam um seinetwillen schon gelitten hatte. Und Rose – er hatte sie beinahe eines glücklichen Lebens beraubt, indem er Sam mit sich auf die Fahrt nahm. Wenn er damals gewusst hätte, wie Rose Sam liebte, hätte er ihn dann mit genommen? Aber Sam hätte es sich selbst nicht gestattet, zurück gelassen zu werden!

Nutzlose Fragen. Alles in der Vergangenheit und unveränderbar, zum Guten oder zum Bösen. Wenn Bilbo niemals den Ring in Gollums Höhle aufgehoben hätte – aber dann hätte Gollum ihn getötet. Wenn Bilbo den Ring mit nach Bruchtal genommen hätte, anstatt ihn ihm zu hinterlassen. Wenn. Wenn.

Er verriegelte seine Tür von innen und kletterte aus dem Fenster. Er musste warten, bis der Smial still war und jedermann schlief, und er brauchte alle verbleibenden Stunden der Dunkelheit. Er wusste, dass sie nachts hereinschlüpften, um nach ihm zu sehen. Er hatte manchmal im Dunkeln gelegen und den tiefen, langsamen Atem des Schlafes vorgetäuscht, während Kerzenlicht in der halb offenen Tür flackerte. Heute Nacht wollte er nicht, dass jemand nach ihm sah.

Der Stall lag am Fuß des Bühls, und sobald er drinnen war, riskierte er, ein Licht anzuzünden Es war leichter, ein Pony zu satteln, wenn man sah, was man tat! Er hatte darüber nachgedacht, zu laufen, aber Sam würde schneller glauben, dass er auf ein Abenteuer ausgezogen war, wenn er das Pony nahm. So war auch seine Reichweite größer, wenn es darum ging, wo er sich das Leben nehmen sollte. Er konnte in einer einzigen Nacht ein gutes Stück von Hobbingen weg kommen, wenn er beritten war.

Er würde diese Tat nicht in Beutelsend begehen. Das hatte er von Anfang an beschlossen – was für einen sichereren Weg gab es, Sam in die Finsternis zu schicken, als wenn er den steif werdenden Leichnam seines Herrn fand, blutig von einer Wunde, oder das Gesicht vom Erhängen entstellt – er wollte Sam vor der Dunkelheit bewahren, nicht ihn hineinstoßen! Nicht in Beutelsend, und nicht irgendwo, wo seine Leiche gefunden werden mochte.

Ich brauche den Ring zurück, dachte er ironisch, damit ich verschwinden kann!

Ertrinken wäre gut, aber auch das nicht in der Nähe von Hobbingen. Ertrunkene Leute kamen manchmal wieder an die Oberfläche und sahen nach einer Zeit in der Tiefe umso übler aus. Ein rascher Sprung von der Brandyweinbrücke mochte die Lösung sein, wäre da nicht Merry gewesen. Merry würde davon hören, vielleicht sogar gerufen werden, um zu bestätigen, wer diese wasserdurchweichte Leiche war. Merry hatte auf seine eigene, leidvolle Weise die Finsternis gestreift, auf den Pelennorfeldern. Er hatte genau so viel Angst um Merry wie um Sam.

Endlich erinnerte er sich an die Höhle. Er hatte sie vor Jahren gefunden, lange vor der Fahrt, als er aus schierer Freude daran lange Wanderungen unternahm, in der Hoffnung, einige des Schönen Volkes zu treffen, wenn sie in ihrem geheimnisvollen Kommen und Gehen das Auenland durchquerten. Unten am Rande des Grünhügellandes war sie, östlich der Tukländer.

Er hatte sich seinen Weg durch das Unterholz gebahnt, ein kleines Stück entfernt vom Pfad; er genoss das Gefühl, nicht gesehen zu werden, selbst wenn jemand an dieser einsamen Stelle vorüber kam. Und er war in ein Loch gefallen! Er hatte sich den Knöchel verdreht und einen Moment still gelegen, um wieder zu Atem zu kommen, und als er sich erholt hatte, schaute er sich um und fand heraus, dass das Loch der Eingang war zu einem unterirdischen Raum, eine natürlichen Höhle mit felsigen Wänden und Boden.

Er wusste nicht, warum er sie geheim gehalten hatte, aber so war es. Er hatte sich manchmal dorthin zurück gezogen, wenn er in der Gegend von schlechtem Wetter eingeholt wurde, aber niemals, wenn er einen Gefährten bei sich hatte. Er hatte das Wissen darüber für sich behalten, und jetzt kam es zu ihm zurück, als Erlösung aus seiner Zwickmühle.

Sie war über die Jahre hinweg immer wieder einmal eine Zuflucht für ihn gewesen. Er hatte sie zuletzt in dem Sommer vor der Fahrt benutzt, als er durch das Auenland streifte und seinen alten Jagdgründen Lebewohl sagte. Nun würde sie seine letzte Zuflucht sein. Dort konnte er tun, was er tun musste, und die Höhle würde seine Gruft sein.

Als das Pony gesattelt war, schnallte er ihm die Satteltaschen auf den Rücken und löschte das Licht. Er hatte nicht viel eingepackt – einen Imbiss und eine Wasserflasche – eine Decke, falls die Nacht kalt war. Er hatte in Mordor genug unter Kälte, Hunger und Durst gelitten; es gab keinen Grund, das zu wiederholen. Nur zur Höhle gelangen und das Schwert benutzen, und das Leiden würde ein Ende haben, sein eigenes ebenso wie die Gefahr, denen, die er liebte, noch mehr davon zuzufügen. Stich hing an seinem Gürtel und er strich mit der Hand über die Scheide, bevor er das Pony bestieg.

Bald.


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