Ein wirklich gutes Jahr (Pretty Good Year)
von Mary Borsellino, übersetzt von Cúthalion

Kapitel 2
Wach auf

„Rosie, Liebes, denkst du, du könntest…“
„Nein, ich denke ganz sicher nicht, dass ich könnte!“ Sam zog den Kopf ein, um dem Klatschen des Geschirrtuches auszuweichen. „Es hilft ihm nicht, und du weißt das.“ Ihr Ton war sanft, aber nur mühsam beherrscht.
„Es ist nur ein Bissen zu essen. Ich mache es selbst, wenn du dich so darüber aufregst.“
Rosie rollte ihre Augen in Richtung Küchendecke, die Handfläche ausgestreckt, um ihren Ehemann aufzuhalten, als er versuchte, an ihr vorbeizukommen.
„Versuch nicht, mir ein Schnippchen zu schlagen, vor allem, wenn du weißt, dass ich recht habe. Ich bin hier, mit einem Baby im Bauch auf halbem Weg zur Geburt, und ich halte die Zimmer sauber und wasche das Geschirr ab. Herr Frodo hat hartnäckig darauf bestanden, dass du und ich am großen Tisch essen, und ich sage, das Gleiche gilt auch für ihn. Kein Frühstück im Bett mehr!“
„Morgens ist er nicht sehr kräftig…“
„Und das wird er auch nie, wenn du ihn weiter so verhätschelst.“
„Dämpf deine Stimme, Mädel, er wird dich hören.“
„Samweis Gamdschie, wenn du dieses Tablett in dieses Schlafzimmer trägst, lege ich dich übers Knie wie einen Milchbart und schüttel’ auf diese Weise ein bisschen Verstand in dich hinein!“
Sams Augenbrauen furchten sich. „Seine Fahrt hat ihn erschöpft, und das ist kein Wunder. Er muss sich erholen. Das weißt du.“
„Ja.“ Rosie rieb mit ihrem harten kleinen Daumen über die sorgenvollen Linien, die Sams Gesicht durchzogen. „Aber nicht für immer, liebes Herz. Selbst der allertiefste Schlaf endet damit, dass man wieder zu sich kommt, und es ist höchste Zeit, dass du ihn wachrüttelst.“
„Klingt wie irgendwas, das ein Elb sagen würde.“ sagte Sam mit einem kleinen, säuerlichen Lächeln.
„Ich hätte es wohl kaum fertig gebracht, dass du mich bemerkst, wenn ich nicht ein bisschen davon in mir hätte – oh, fühl, wie es tritt!“ Sie presste seine Handfläche gegen ihren Bauch. Einen Augenblick später war da eine weitere, flatternde Bewegung und Sams Augen weiteten sich vor Entzücken.
„Ich kann es spüren. So stark!“
„Ich wette, es ist ein Junge.“ lächelte Rosie. „Will an der Reihe sein mit Treten und Kämpfen und kann es kaum abwarten, raus zu kommen.“
„Ein bisschen länger, Bübchen.“ Sam wandte sich mit ernsthafter
Miene an die Rundung, mit einem Finger wedelnd, als würde er schimpfen. „Werd erstmal groß und komm nicht herausgesaust, bevor wir bereit für dich sind.“
„Alles in Ordnung?“ Rosie und Sam blickten beim Klang der Frage hoch. Frodo lehnte am Türrahmen, dunkle Flecken unter seinen großen Augen, als hätte er seit einer Woche nicht mehr geschlafen.
„Frodo, du solltest nicht auf sein, ich wollte dir gerade dein Frühstück hereinbringen.“ Sam übersah geflissentlich, dass Rosie ihn warnend anblitzte.
„Ich habe laute Stimmen gehört. Keine Schwierigkeiten, hoffe ich?“
„Das Baby tritt, komm mal fühlen.“ Rosie winkte ihn zu sich. Frodos Hand war leicht und kühl, als sie den weichen Stoff von Rosies Kleid berührte. „Kräftiger kleiner Bursche da drin.“ Frodo lächelte. „Setzt dich hin, Rosie, leg die Beine hoch. Sam und ich können alles tun, was heute getan werden muss.“
„Nein, Herr Frodo…“. Sam protestierte, und Frodo legte seine Hand über die seine.
„Mach dir keine Sorgen um mich, ich bin kein Kind.“
Rosie hob eine Augenbraue in einer klaren „Hab ich’s dir nicht gesagt“- Geste, dann setzte sie sich mit viel selbstzufriedenem Schwung in den hochlehnigen Stuhl, der am dichtesten vor dem Fenster stand.
„Also gut, wenn ihr beide mich bedienen wollt, dann solltet ihr mir mein Frühstück besser auf einem Tablett herbringen.“ grinste sie.

 
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