Ein Lied von Wein und Rosen (A Song of Wine and Roses)
von Cúthalion

September 3017

Sie wurde durch das leise Klirren von Glas auf Metall geweckt. Das Schlafzimmer in Beutelsend war fast völlig dunkel; als sie die Augen öffnete, sah sie Frodo neben dem Nachttisch stehen. Er goss Wein in einen Becher. Die flackernde Flamme der Kerze vergoldete seinen nackten Rücken und zeichnete ihn mit Flächen aus Licht und Schatten. Sie betrachtete den eleganten, kraftvollen Umriss seiner Schultern, die lange Vertiefung seines Rückgrates, die festen Hügel seiner Hinterbacken. Sie wollte ihn berühren… aber noch immer, nach mehr als sechs Monaten geteilter Nächte und wachsender Vertrautheit mit seinem Körper spürte sie eine gewisse Scheu, wenn es darum ging, den ersten Schritt zu tun.

Frodo drehte sich um und sah, dass sie wach war. Er hob den Becher wie zu einem schweigenden Trinkspruch und lächelte.

„Dieser Wein kommt aus Düsterwald; Bilbo hat mir einmal erzählt, dass der König ihm ein Dutzend Flaschen schickte, etwa zwei Jahre ehe er das Auenland verließ. Scheinbar waren sie als ein Zeichen der Vergebung gedacht… dafür, dass er durch seinen Palast geschlichen ist und ihm Essen und obendrein seine Gefangenen geraubt hat, und für den Diebstahl von zwölf leeren Fässern.”

Das Lächeln vertiefte sich zu einem Grinsen.

“Bilbo meinte immer, dass es tatsächlich ein Zeichen großer Wertschätzung gewesen sei; die Elben vom Düsterwald lieben ihren Wein sehr und teilen ihn normalerweise nicht mit Fremden, von Meisterdieben gar nicht zu reden. – Übrigens, macht es dir etwas aus, dir diesen Becher mit mir zu teilen?“

„Nein, es macht mir nichts aus – überhaupt nicht.”

„Es gab einmal zwei davon“, fuhr er fort, „ein Hochzeitsgeschenk von Bungo Beutlin an Belladonna, und Bilbo hatte immer den Verdacht, dass einer davon während dieser Auktion verschwunden ist, am Tag seiner Rückkehr von dem Abenteuer mit Thorin Eichenschild und den Zwergen – und wahrscheinlich verschwand er im Geschirrschrank der Sackheim-Beutlins.”

Lily nahm ihm den Becher aus den Händen. Das kühle Silber erwärmte sich zwischen ihren Handflächen, und sie folgte dem Relief eines Kleeblattes mit der Fingerspitze. Kleeblätter und Rosen bildeten ein verwickeltes Muster rings um den Rand, der Rest war glatt und ungeschmückt und von einer schlichten, zarten Schönheit. Sie nahm den ersten, vorsichtigen Schluck und ihr Mund füllte sich mit einer fremdartigen Explosion von Aromen, süß und gleichzeitig herb, und sehr stark. Sie war es kaum gewöhnt, Alkohol zu trinken, und ganz sicher nicht von dieser außergewöhnlichen Güte. Sie schluckte und spürte, wie ihr der Wein die Kehle hinunter rann und ein sanftes Feuer in ihrem Magen entfachte.

„Gut?”

„Sehr gut.”

Er setzte sich auf die Bettkante, ohne die Decke zu beachten; jetzt gab sie endlich ihrem Impuls nach, streckte die freie Hand aus und berührte seine Schulter. Sie streichelte und liebkoste und wanderte dann hinunter zu seiner Brust; der starke, regelmäßige Rhythmus seines Herzschlages mischte sich mit dem ihren. Lily nahm noch einen Schluck, diesmal ein wenig mutiger, und ihre zärtliche Forschungsreise nahm ebenfalls an Wagemut zu. Er atmete tief ein und lehnte sich zurück. Sein Blick hing an ihrem Gesicht, während ihr Daumen einen klenen Kreis un die Vertiefung seines Nabels beschrieb. Wortlos nahm er ihr den Becher ab und trank; als ihre Finger seinen Hüftknochen streiften, blickte sie auf und sah, dass der Rand des Bechers noch immer seinen Mund berührte. Aber nun war der Wein vergessen. Seine Augenlider bebten und schlossen sich, während sie weiches, krauses Haar und endlich glatte Haut berührte. Sie schloss ihre Finger um ihn, und eine plötzlich erwachende Härte regte sich und stieß sachte gegen ihre Handfläche. Sie biss sich auf die Unterlippe. Auf und ab… dass Haut sich so anfühlen konnte, weich wie Samt… und noch immer wuchs er im lockeren Griff ihrer Hand. Ein langes, gedämpftes Stöhnen kam von irgendwo über ihrem Kopf, und plötzlich spürte sie seine Finger in ihrem Haar.

„Lily…”

„Soll… soll ich aufhören?”

„Sterne, nein!”

Sie hörte sich selbst lachen, erstaunt und sogar leicht erschrocken über ihre Dreistigkeit, aber nun hatte das Begehren ihren Verstand überwunden, und das kam nicht von dem ungewohnten Wein. Mit der freien Hand brachte sie ihn sanft dazu, sich neben ihr auszustrecken, dann kniete sie sich über ihn. Sein Körper erstreckte sich vor ihr wie eine geliebte, vertraute Landschaft… seine Brust, die sich unter seinem schweren Atem hob und senkte, sein flacher Leib und seine Erregung, hart wie Eisen unter der festen Liebkosung ihrer Finger, aber nicht annähernd so kalt… sie war heiß und lebendig. Sie verstärkte ihren Griff; ihre Linke streichelte die Innenseite seiner Schenkel und umfing endlich seine Hoden. Sie zögerte, dann drückte sie sanft zu und sah aus den Augenwinkeln, wie er die Finger mit weißen Knöcheln krampfhaft in die Laken grub. Er rang scharf nach Atem; sein Körper bäumte sich auf und hob sie fast vom Bett.

Plötzlich griff er nach ihr und seine Arme zogen sie mit einer schnellen, unfassbar kraftvollen Bewegung dicht an sich. Sie kämpfte um ihr Gleichgewicht und fand nur seine Schultern als sicheren Halt, und dann drang er von unten in sie ein. Bis jetzt war er erstaunlich still gewesen, aber jetzt öffnete er plötzlich die Augen und gab einen unterdrückten Schrei von sich, ein rauhes, beinahe schmerzerfülltes Geräusch, das tief aus seiner Brust kam. Sie beugte sich vor; lange, lockige Strähnen fielen und hüllten sein Gesicht ein wie ein herbstlicher Schleier. Jetzt war er es, der Tempo und Druck bestimmte, und sie übte freudigen Gehorsam und überließ sich endlich der verzweifelten Begierde ihres eigenen Körpers. Hoch und wieder hinunter, aber jetzt umschloss ihn nicht nur ihre Hand, sondern ihr gesamtes, sehnsüchtiges Fleisch, schlüpfrig und heiß und nach Erlösung hungernd, und was immer von Scheu und Zurückhaltung geblieben war, wurde zunichte, als sie sich hilflos stöhnen und um mehr flehen hörte… mehr… tiefer… schneller… ohjajajabitte… Sie stürzte über die Klippe, den Mund zu einem atemlosen Schrei aufgerissen, und ihre Fingernägel schrammten über seine Haut, als sein heftiger Höhepunkt sie mit flüssiger Hitze erfüllte.

*****

Beim nächsten Mal war es der Klang eines Liedes, der ihren Geist langsam ins Bewusstsein zurücktreiben ließ. Es war das allererste Mal, das sie Frodo singen hörte; es war eine schlichte Melodie, wie eine alte Ballade, und seine Stimme war ein überraschend voller, angenehmer Bariton.

Mein Lieb flicht Rosen sich ins Haar
Geschmeide, einer Fürstin wert,
Nur ihr allein mein Herz gehört
Nur ihrer Güte, sanft und klar

Sie öffnete die Augen und sah, dass er neben ihr saß, den Rücken gegen das Kopfende gelehnt. Er erwiderte ihren Blick, lächelte und verfiel in Schweigen.

“Warum hörst du auf?” Sie räusperte sich und streckte die Hand nach dem silbernen Becher aus. Er war noch halb voll; sie hatten kaum mehr als ein paar Schlucke getrunken, ehe ein völlig anderer Rausch sie erfasst und mit sich fortgetragen hatte. Der Wein rieselte über ihre Zunge, stieg ihr in den Kopf und umwölkte ihren Geist mit einem trägen, süßen Schleier. Innerlich über sich selbst lachend stürzte sie den Rest hinunter. Morgen würde sie sicherlich für dies hier bezahlen müssen… aber heute Nacht war heute Nacht. „Das war ein schönes Lied. Hast du es geschrieben?”

Frodos Hand berührte ihre Wange und der Daumen folgte sanft der Linie ihres Kiefers. Dann beugte er sich aus dem Bett, nahm die staubbedeckte Flasche und füllte den Becher nach.

“Ich habe es in einem von Bilbos Notizbüchern gefunden; er hat vergessen, es mitzunehmen, und die Seiten waren voller Lieder und Gedichte. Ich bezweifle, dass er sie selbst geschrieben hat, sie sind nicht sein Stil. Vielleicht hat er sie einfach nur gesammelt… er hat ein gutes, rasches Gedächtnis, und er machte sich oft Notizen, wenn die Leute im Grünen Drachen oder im Efeubusch anfingen zu singen. Wahrscheinlich hat er es während seiner Reisen irgendwo gehört.”

„War das der einzige Vers?”

Er streckte den Rücken und hob den Becher an die Lippen, und sie betrachtete ihn mit einer plötzlichen, schmerzhaften Unruhe. Seine Augen und sein dunkles Haar, das silberne Gefäß in seiner Hand und die Schönheit seiner Blöße… all das machte ihn zu einem Fremden, ein unbekanntes Geschöpf, im friedlichen, selbstgenügsamen Alltag des Auenlandes gestrandet wie eine Nachtigall in einer Kolonie von Spatzen. Erst als er zu singen begann, merkte sie, dass sie den Atem angehalten hatte und ohne nachzudenken griff sie nach seiner Hand.

Mein Schatz ist lieblich anzuseh’n
Mit Augen, klar wie Sommerwein
Sie hält mein Herz, ja, sie ist mein
So freundlich mild und tausenschön

Lily beugte sich vor und nahm den Becher; sie trank wieder, bis nur noch ein paar Tropfen übrig waren. Da war mehr als ein Hauch Herausforderung in ihrem Blick, und sie sah, wie sich zur Antwort eine seiner Augenbrauen hob. Sein Lächeln spiegelte das ihre wieder, langsam, entschlossen und voll von fröhlichem Mutwillen. In stiller Faszination beobachtete sie, wie er den Becher neigte und den ersten Tropfen fallen ließ; er zog eine lange, dünne, purpurne Spur über die weiße Haut ihrer Brust. Dann senkte er den Kopf und sie seufzte und schnappte nach Luft, als seine Zunge der roten Linie folgte, sanft leckte und saugte, bis sie eine Brustwarze fand, die sich zwischen seinen Lippen rasch verhärtete.

„Du schmeckst wie eine Mischung aus Frühling und Sommer,“ flüsterte er. „So süß...“

Sein Mund liebkoste die empfindliche Spitze der anderen Brust. Seine Hand übernahm, wo seine Zunge gewesen war, streichelnd und aufreizend, bis sie einen kurzen, ungeduldigen Schrei ausstieß und ihn über sich zog, das Gewicht seines Körpers zur selben Zeit beruhigend und erregend. Er kam zu ihr mit Wärme und unwiderstehlichem Feuer, und als er sie küsste, füllte der Geschmack von Elbenwein einmal mehr ihren Mund und ihren Kopf. Die Welt fing an sich zu drehen; sie schloss die Augen und unterwarf sich seinem Rhythmus. Wieder nahm er sie mit sich auf den Gipfel und sie ertranken gemeinsam in der dunklen Musik eines seltsam sanften Höhepunkts, der jede Fiber ihrer miteinander verschmolzenen Leiber vibrieren ließ wie die Saiten einer riesigen Harfe.

*****

Er lag neben ihr und lauschte dem Klang ihrer leisen, regelmäßigen Atemzüge. Die Kerze war beinahe niedergebrannt. Er konnte nicht schlafen; draußen färbte die Dämmerung den Himmel mit einer bleichen Helligkeit. Er hatte Lily seit fast einer Stunde betrachtet und langsam die Flasche geleert. Bald würde er sie aufwecken müssen... jeden Morgen kehrte sie in ihr eigenes Bett im Stolzfuß-Smial zurück, egal, wie sie die Nacht zuvor verbracht hatte, und er konnte ihr nur einen stillen Tag wünschen, um sich zu erholen.

Er drängte sich dichter an sie heran, bis seine Wange beinahe ihre bloße Schulter berührte. Jetzt, solange sie noch schlief, würde er es wagen, den letzten Vers zu singen... jetzt, da es keine Fragen gab, keine peinigenden Antworten und keine Verweigerung... jetzt, da er noch das Recht und die Gelegenheit hatte, zu träumen.

Er sang den letzten Vers aus Bilbos Notizbuch so leise und sanft wie möglich, und sein Atem bewegte feine Strähnen ihrer zerzausten Locken auf dem Kissen, während er sich dem süßen, schlichten Trost der Worte überließ.

Einst feiern wir ein großes Fest
Und mein Feinslieb bleibt endlich hier
Teilt auch die Nächte nun mit mir
Weil sie mich niemals mehr verlässt.

Er schloss die Augen, erfüllt von einem zerbrechlichen, unerwarteten Frieden.


ENDE


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