Mündliche Übung (Oral Test)
von illyria-pffyffin, übersetzt von Cúthalion

Ein Elb, in blasses Blau von der Farbe eines Rotkehlchen-Eis gekleidet, glitt über die Lichtung und blieb neben der Sitzgruppe aus abgesägten Holzstücken stehen, die die Stühle und Tische der Hobbits darstellten. Er verneigte sich hoheitsvoll, dann faltete er seine hoch gewachsene, schlanke Gestalt anmutig zusammen, um sich zwischen Sam und Frodo nieder zu kauern.

Frodo strahlte Sam an. „Mach weiter, Sam,“ sagte er.

Sam seufzte, dann richtete er den Blick entschlossen auf die Karte, die er festhielt, ein Stück Seide, das an einem Holzbrett befestigt war. Der Stoff war wunderschön mit Worten und mit Bildern von verschiedenen Gerichten und Zutaten bemalt.

Er räusperte sich. „Richtig. Los geht’s.“ Er sah den Elb an und sagte etwas auf Quenya.

Bilbos Gelächter war eine bellende Explosion, Frodo kicherte. Der Elb schaute gleichzeitig belustigt und verwirrt drein.

„Also, was hab’ ich jetzt falsch gemacht?“ stöhnte Sam und zog ein Gesicht.

„Du hast gerade gesagt, dass du ,begehrst, dass man den Aal in Blüten erdrosseln und nackt in den Brutofen werfen möge’ “ erklärte Frodo und verkniff sich ein neuerliches Glucksen.

„Aber das war nicht das, was ich gemeint habe!“ protestierte Sam. „Ich habe um Pilz- und Zwiebelsuppe gebeten, und um den geschmorten Fasan mit der Nuss-Soße.“

„Versuch’s nochmal.“ drängte Frodo und nickte ermutigend.

Sam straffte die Schultern und wandte sich wieder an den Elf; diesmal sprach er langsamer und deutlicher.

Feine, fast unsichtbare Linien zeigten sich zwischen den Brauen des Elben, als er die Stirn runzelte. Er sagte etwas zu Sam.

Sam schnappte nach Luft und sein Kopf fuhr herum; er schaute Frodo an, der die Lippen in dem Versuch schürzte, nicht zu lachen. „Hat er wirklich gesagt, was ich gehört hab, Herr?“

Bilbo stieß gegen den Tisch, als er sich vor Vergnügen krümmte. Frodo holte tief Atem, aber er lächelte noch immer breit, als er Sam fragte: „Was denkst du denn, was er zu dir gesagt hat, Sam?“

„Er hat gesagt, es sei ,ratsam, dass ich mich selbst zusammen mit Hühnchen in Mandelhonig einweiche.'

Das war zuviel für Frodo, und er lachte so heftig, dass er beinahe von seinem Holzklotz herunter rutschte. Er wischte sich die Tränen ab, hielt sich den Bauch und stammelte eine Entschuldigung, während Sam ihn verwirrt anstarrte. Bilbo sagte: „Tut mir Leid, Junge, ich wollte dich nicht auslachen, aber...“ und er stürzte sich in noch mehr atemloses Gegluckse und murmelte zwischen Lachanfällen „Hühnchen, also wirklich!“ vor sich hin.

„Herr Frodo, ich bin erst eine Woche hier, ich glaube, für das hier ist es zu früh,“ war Sams klagende Begründung. „Ich komme mit ,Hallo, ich bin Sam. Ich bin ein Freund von Herrn Frodo und Herrn Bilbo’ zurecht, aber ich glaube nicht, dass ich das hier jetzt schon hinkriege. Diese Elben haben neununddreißig verschiedene Namen für Brot, Herr Frodo, und bevor ich mir merken kann, welchen davon ich benutzen muss, bin ich verhungert.“

Bilbo gab erneut ein Bellen von sich, ohne sich von Frodos verärgertem Blick abschrecken zu lassen.

„Ich weiß es zu schätzen, dass du mir Quenya beibringst, Herr, tu ich wirklich,“ fuhr Sam ernsthaft fort. „Es ist bloß, mit über hundert braucht man mehr Zeit, um den Klang und die Bedeutung aufzusaugen, bevor man es sprechen kann.“

„Ist wohl leichter, Mandelhonig aufzusaugen, was, Sam?“ warf Bilbo ein.

„Bilbo!“ schalt Frodo, obwohl seine Lippen ihn mit einem breiten Grinsen verrieten. Dann wandte er sich an Sam „Also gut, Sam. Es tut mir Leid, dass wir dich dazu gezwungen haben. Wie denken beide, dass du dich mit deinen Quenya-Lektionen ganz besonders gut anstellst, und wir glauben auch, dass dies eine leichte Herausforderung für dich wäre. Aber du hast Recht… Eile bringt uns in diesem Fall nirgendwo hin.“

„Weniger hungrig macht es uns auch nicht,“ fügte Bilbo lebhaft hinzu. „Würdest du dann bitte deine Bestellung aufgeben, Frodo?“

Frodo nickte und sprach mit dem Elb, der lächelte, den Kopf neigte und ein paar Bemerkungen machte. Bilbo beobachtete den Austausch mit einem kleinen, mutwilligen Glimmen in den Augen, dann gab er eine ausgedehnte Bestellung für fünf verschiedene Gerichte und nicht weniger als drei verschiedene Getränke auf. Nun wandte sich der Elb an Sam, der entschlossen auf das Bild mit dem geschmorten Fasan in Nuss-Soße zeigte, dann auf die Zeichnung eines Kartoffel-Gerichtes, eines Korbes mit Brot, zweier Gemüsesorten und zweier Sorten Pudding. Der Elb nickte anerkennend bei jeder Wahl, dann entfernte er sich; er sah sehr erfreut aus.

Bilbo beugte sich vor und flüsterte Frodo etwas zu – laut genug, dass Sam es hören konnte. „Hast du wirklich um Schlamm in deiner Suppe gebeten, mein Junge?“

Frodo runzelte die Stirn. „Nein, ich wollte diese sahnigen Wirbel und die Stückchen von den knusprigen Nussbrot darin haben.“

„Aber ich habe dich ausdrücklich sagen hören ,Ich will, dass meine Suppe so dick ist wie Schlamm.’ “ sagte Bilbo, dann winkte er ab, als Frodo den Mund öffnete, um zu protestieren. „Ach, macht nichts, mein Junge. Ich bin sicher, es war bloß ein Ausrutscher. Ganz schön kompliziert, dieses Elbisch, meinst du nicht auch, Sam? Ich bin sicher, diese Art Fehler macht jeder irgendwann einmal.“

Sam grinste breit, auch dann noch, als Frodo ihm ein Gesicht schnitt.

„Ich habe keinen Fehler gemacht, Bilbo!“ beharrte Frodo. „Ich habe nicht um Schlamm in meiner Suppe gebeten!“

„Glaub, was du magst, Frodo; wir werden sehen, mit wem von uns unser guter Küchenmeister übereinstimmt.“ sagte Bilbo leichthin. Er lächelte über Frodos finstere Blicke. „Schau nicht so verdrießlich drein, mein Junge. Ich bin sicher, die Suppe wird wunderbar schmecken, mit Schlamm oder ohne.“ Er zwinkerte Sam zu, während er sprach, und Sam lachte endlich, zum ersten Mal, seit die mündliche Übung angefangen hatte.


ENDE


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