Trio
von Cúthalion


Der erste Morgen

2. Mai 1420

Er erwachte aus Träumen voller Nebel und Dunkelheit; plötzlich saß er aufrecht im Bett, zitternd und kaum imstande zu atmen. Ein paar Sekunden lang war er völlig desorientiert, aber dann erinnerte er sich… und die Spannung verließ seinen Körper.

Er schaute auf sie hinunter… ihr liebliches Gesicht, ihr gebräunter Nacken, die schöne Rundung ihrer Schultern. Ihre Brüste waren unsichtbar, aber der Gedanke an letzte Nacht brachte die Erinnerung an ihre Fülle zu ihm zurück und daran, wie sie sich unter seinen Händen anfühlten. Hatte er wirklich… oh ja, er hatte, und nun spürte er, wie ihm eine plötzliche Hitze in die Wangen stieg.

Sie öffnete die Augen.

„Hast du gut geschlafen, mein Liebster?“ Ihre Stimme war ein leises Murmeln.

Seine Antwort war hoffnungslos ehrlich. „Könnte besser sein.“ Eine kurze Pause. „Wegen der Träume.“

Sie lächelte ihn an, den Blick erfüllt von unbeirrbarer Zuversicht.

„Keine Sorge, mein Herz,“ sagte sie. „Gib mir nur genügend Zeit.“


*****


Sams Zuhause

1. Mai 1430

Sam erwachte kurz vor der Dämmerung; schwaches Licht sickerte durch die Vorhänge, und die andere Hälfte des Bettes war leer. Das Laken fühlte sich unter seiner Hand kühl an. Er stand auf und tappte den Gang hinunter, dem schwachen Hauch eines süßen Aromas hinterher, das aus der Küche kam.

Rosie stand vor dem Tisch, eine Schürze über dem Nachthemd, beide Hände in einer Schüssel voll Teig vergraben. Eine weitere Schüssel mit Apfelscheiben und Rosinen wartete auf dem Fensterbrett, und sie hatte in den drei größten Kerzenleuchtern alle Kerzen angezündet.

„Was tust du denn da, Mädel? Schrecklich früh, um mit dem Backen anzufangen, findest du nicht?“

Sie warf ihm einen scharfen Blick zu.

„Würdest du wohl bitte die Streusel machen?“

Das war nicht die Antwort, die er erwartet hatte, aber Sam erkannte einen Befehl, wenn er einen hörte. Er trat gehorsam neben sie, nahm sich eine dritte Schüssel und bediente sich mit einer großzügigen Menge Butter, Mehl und Zucker. Sie kneteten Seite and Seite in kameradschaftlichem Schweigen und er streute eine Handvoll Mehl auf den Tisch, als sie nach dem Nudelholz langte. Dann war der Kuchen im erhitzten Ofen und Rosie füllte den Kessel unter der Pumpe, um Tee zu kochen. Draußen hatte sich die Sonne endlich über den Horizont erhoben, und die weißen Wände der Küche schimmerten rosig und golden.

Plötzlich sprach Rosie.

„Am Abend vor unserem ersten Hochzeitstag saß er hier bei mir in der Küche, während ich einen Apfelkuchen für dich gemacht hab“, sagte sie; ihre Stimme war sehr leise. „,Du bist Sams Zuhause’, hat er mir gesagt, ,Du bist die Rosenbüsche im Garten, die grünen, wogenden Hügel und die dunkle Erde auf seinen Händen. Deine Liebe verwurzelt ihn hier im Auenland... danke, dass du die Frau bist, die du bist, meine liebe Rose.’ Und dann hat er meine Hand geküsst.“

Ihre Blicke trafen sich, und Sam schluckte.

„Ich vermisse ihn,“ flüsterte er. „Ich vermisse ihn, Rosie.“

Ihre Hand hob sich und streichelte seine Wange.

„Klar tust du das“, erwiderte sie. „Wie könntest du auch nicht? ,Sei vorsichtig, wenn du deinen Sam heiratest’, hat meine Mama mich gewarnt, als du zurückgekommen bist, ,weil du nicht bloß eine Mann kriegst, sondern einen verschrobenen alten Junggesellen noch mit dazu.’ Ich nehm mal an, sie wusste es nicht besser.“

Zu seiner Überraschung hörte Sam sich selbst lachen, aber Rosies Gesicht war ernst.

„Sag mir was“, meinte sie, ihre Stimme ein wenig angespannt. „hatte Herr Beutlin Recht? Verwurzel ich dich im Auenland? Bin ich wirklich dein... Zuhause?“

Sam umschloss ihr Gesicht mit beiden Händen, zog sie an sich und küsste sie, bis er spürte, wie sich ihr Körper in seiner Umarmung entspannte.

„Du bist mein Zuhause und meine Wurzeln“, flüsterte er dicht an ihrem Mund. „Du bist meine Liebe, mein Herz und mein Herdfeuer. Und du wirst es immer sein.“


*****


Eins nach dem anderen

1. Mai 1470

Sam sank herzhaft erschöpft auf die Küchenbank. Er hatte den gesamten Nachmittag damit verbracht, ein paar zähe Wurzeln im hinteren Garten zu entfernen, und jetzt fühlte sich das Rückgrat unter seiner Haut an wie ein morscher Besenstiel.

Ich wird zu alt dafür, dachte er, zu dumm, dass Jung-Frodo heute in Michelbinge ist... und dass ich meine Finger nicht davon lassen konnte, obwohl ich es besser wusste.

Sein Blick wanderte über den hübsch gedeckten Tisch, streifte Haselnussbrötchen, frisch gebackenes, dunkles Brot und einen Apfelkuchen mit Zimtstreuseln. Rosie hatte ihre Kochkünste über fünfzig Jahre hinweg zu einem Grad perfektioniert, der frisch verheiratete Frauen nach Beutelsend pilgern ließ, um mit wahrer Ehrfurcht ihrem Rat zu lauschen.

Sie kam herein, schloss die Tür hinter sich und schnitt damit ein lärmendes Tohuwabohu von Stimmen im Gang ab; Sam konnte kurz den schrillen Sopran von Rubinie, den warmen Bariton von Robin und das durchdringende Organ von Jung-Tolman heraushören. Er grinste innerlich, als er sich an eine Bemerkung von Merry Brandybock erinnerte, die der letzte Woche gemacht hatte, als er zu Besuch kam. Sollte es jemals wieder einen Angriff von Raufbolden geben, dann werden wir mein silbernes Horn nicht brauchen... so lange dein Sohn in der Nähe ist.

Er lächelte seine Frau an.

„Worum geht’s bei dem Aufruhr, Mädel?“

„Oh, nichts Wichtiges.“ Rosie gab ein schnaubendes Lachen von sich. „Rubinie hat Robin beschuldigt, ihre neueste Festbluse dazu benutzt zu haben, ein Bett für Tabbys vier Katzenkinder auszupolstern. Robin hat geschworen er hätte nichts damit zu tun, und dann schlich Tolman wie das verkörperte schlechte Gewissen an ihnen vorbei und das blaue Seidenband von den Ärmeln von Rubinies Bluse baumelte aus seiner Hosentasche.“

Plötzlich beugte sie sich vor und er spürte ihre Lippen fest und süß auf seinem Mund.

„Und weißt du, was das Beste ist? Innerhalb der nächsten Stunde ist der ganze Ärger vergessen, sie sind allesamt beim Maifest auf der Kattunfarm und wir sind endlich allein, um unser eigenes Fest zu feiern.“

Sam nahm sie um die Mitte und zog sie an sich. Mit einem überraschten kleinen Aufkeuchen gab sie seiner Bewegung nach und setzte sich... ein schwereres Gewicht als vor fünfzig Jahren an genau demselben Tag, aber still hochgeschätzt. Und geliebt.

Er erwiderte ihren Kuss.

„Vor fünfzig Jahren hätte ich dich ins Schlafzimmer getragen, ohne einen Blick auf diese Leckereien zu verschwenden. Aber heute würde ich gern etwas essen vor dem... ähm... Nachtisch.“

Sie kicherte leise.

„Vor fünfzig Jahren hattest du jede Menge Schweinebraten, ein Glas Wein und ein Riesenstück Erdbeertorte vor dem... Nachtisch... und hinterher eine großzügige Portion Haselnusspudding. Ich nehme an, wenn es um Küchenangelegenheiten geht, hab ich das bessere Gedächtnis.“

Sam grinste ein bisschen wehmütig.

„Einen besseren Magen hatte ich ganz bestimmt, gar kein Zweifel. Aber...“ und sein Gesicht hellte sich auf, „mein Appetit auf dich hat nie nachgelassen, nicht einen Tag.“

Sie füllte ihm reichlich den Teller.

Eins nach dem anderen, dachte er und versenkte die Gabel glücklich im Apfelkuchen.


ENDE


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