Sonne auf dem Wasser (Sun on the Water)
von Cúthalion

Die Julihitze bleichte den Himmel, selbst in den frühen Morgenstunden und am Vormittag. Wir waren Minas Tirith entkommen und nach Ithilien heimgekehrt; die Bäume im Garten von Gondor verhießen wenigstens einen Hauch von Schatten und das Gras um die Baumstämme waren noch saftig grün und feucht von Tau.

Das erste, was meine Frau tat, als wir endlich unser Haus erreicht hatten, war, zu den Ställen hinüber zu eilen und nach ihrem Lieblingspferd zu sehen, einer lebhaften Apfelschimmelstute, nervös und zierlich. „Ein Pferd für eine Hofdame,“ sagte Éowyn in spöttischem Tonfall, als ich es ihr ein paar Wochen nach unserer Hochzeit schenkte, aber gleichzeitig liebkosten ihre Hände den noblen, feinen Kopf und die samtweichen Nüstern, und ich wusste, dass ich eine gute Wahl getroffen hatte.

Jetzt stand sie in der dämmerigen Wärme des Stalles und sattelte Alfirin*, und es war ganz klar, dass sie nicht die Absicht hatte, den Tag in ihren viel kühleren Räumen zu verbringen. Ich war nicht überrascht; ich wusste, sie hatte es nötig, ihre Freiheit zurück zu gewinnen, die frische Luft von Ithilien zu genießen, vor allem, nachdem sie zwei Monate in der Stadt des Königs ausgehalten hatte. In Ithilien schien sie aufzublühen, und jetzt wollte sie ausreiten, um die Tatsache zu feiern, dass wir wieder zu Hause waren. Trotz der Hitze war ich mehr als bereit, ihren Wunsch zu erfüllen, und nur ein paar Minuten später ritten wir die Hecke entlang, die den Garten einschloss. Sie war neu gepflanzt worden, als der Wohnsitz der Fürsten von Ithilien wieder aufgebaut wurde; verwittertes, rissiges Holz wurde durch Stein ersetzt, farbige Fenster ließen nun das Licht der Sonne hereinströmen. Das alte Haus war vor fast siebzig Jahren zerstört worden, und es erfüllte mein Herz mit ungeheurer Befriedigung und Freude, es erneuert zu sehen.

Unsere Pferde suchten sich ihren Weg durch ein kleines Wäldchen, kaum durch die Zügel geleitet. Éowyn ritt neben mir; sie wiegte sich sanft mit Alfirins langsamem Schritt; ihr klares, kaum gebräuntes Gesicht war so entspannt wie ihr gesamter Körper. Ich war ziemlich besorgt gewesen, dass sie sich niemals wirklich zu Hause fühlen würde in diesem Land, das so anders war als die weiten, grasigen Hügel, auf denen sie aufgewachsen war. Aber sie umarmte ihr neues Reich mit einer Besitz ergreifenden, offenen Liebe, und das Volk von Ithilien gab diese Liebe zurück. Es wurden bereits Lieder geschrieben und gesungen über die Schönheit und Freundlichkeit der Weißen Herrin, und mehr als einmal war meine Frau in die Häuser von Bauern und Handwerkern eingeladen worden, während sie in Ithilien auf Entdeckungsreise ging. Sie hatte eine gute Hand mit ihren Untertanen, fand stets den richtigen Ton und die Menschen öffneten ihr die Herzen.

Die Bäume wichen einem weiten, abschüssigen Feld, von hohem Gras bewachsen; hier und da tupfte das helle Rot von Mohnblüten kleine Flammen in das sonnengebleichte Grün. Éowyn gab einen Befehl, indem sie ganz leicht ihren Sitz änderte; Alfirin streckte den Hals und fiel von einem langsamen Trab in einen plötzlichen Galopp. Ich folgte ihr; die Grashalme strichen mir die Beine entlang und das Haar wurde mir aus dem Gesicht geweht. Der Wind war ein Segen, denn hier unter dem offenen Himmel konnte ich die Kraft der Sonne spüren, als bewegte ich mich unter einem Brennglas. Vor mir wandte sich Alfirin nach links und das Geräusch der Hufe war ein gedämpftes Trommeln auf der Erde. Wir ritten einen sanften Hügel hinauf und auf der anderen Seite wieder hinunter, bevor Éowyn ihre Stute zügelte und ihr den schweißüberströmten Hals klopfte. Nicht weit vor uns konnte ich eine tiefgrüne Reihe von Weidenbäumen sehen; wir hatten fast den Fluss erreicht.

Mein geduldiger Brauner fiel neben ihr in Schritt und wir lächelten einander zu.

„Alfirin* ist durstig,“ sagte Èowyn, „Und Rusca** auch. Wir sollten Wasser für die Pferde finden.“

„Und Schatten.“ fügte ich hinzu und rieb den Schweiß von Ruscas Widerrist. „Nicht nur für die Pferde, würde ich sagen. Wir sind nahe am Anduin, und dort sollten wir beides finden.“

Wir überquerten die sonnenverbrannte Wiese und tauchten in den grüngoldenen Schatten der Weidenbäume ein. Ich streckte mich vor Erleichterung; Rusca witterte den Strom und stieß ein leises, sehnsüchtiges Wiehern aus. Ich stieg ab und erlaubte ihm die letzten paar Schritte ohne mein Gewicht als Bürde auf dem Rücken. Bald tauchten die Pferde ihre Nasen ins Wasser und das einzige Geräusch, das die stille Mittagsluft erfüllte, war ein freudiges Schnauben und das schwache Zischen der Pferdeschweife.

Ich setzte mich ins Gras und zog meine Frau neben mich. Sie legte ihren Kopf auf meine Schulter und schloss die Augen.

„Als ich noch ein Kind war, wäre ich einmal beinahe ertrunken, genau hier.“ erzählte ich ihr, ein wenig überrascht von dieser Erinnerung. „Ich war nicht sehr vorsichtig; das ist ohnehin nichts, was man von einem Vierjährigen erwarten würde. Ich watete tiefer und tiefer in den Strom... plötzlich spürte ich das Flussbett nicht mehr unter meinen Füßen. Im nächsten Moment schlug das Wasser über meinem Kopf zusammen.“

„Und dann?“ Éowyns Augen waren jetzt weit offen. Sie starrte mich mit unverstelltem Entsetzen an.

„Meine Mutter eilte zu meiner Rettung herbei,“ erwiderte ich, verblüfft über die Klarheit der Bilder, die vor meinem inneren Auge vorüber zogen. „Sie sah meinen Kopf unter der Oberfläche verschwinden und warf sich ins Wasser; sie schwamm im Kreis herum, bis es ihr gelang, mein Handgelenk zu packen und mich herauszuziehen. Ich kam wieder zu mir, als ich am Ufer des Anduin lag wie eine ersäufte Katze und den halben Fluss erbrach. Meine Mutter konnte sich nicht entscheiden, ob sie mich bestrafen oder umarmen sollte.“

„Und was hat sie getan?“ Éowyns Blick war jetzt von einem weichen Lächeln erfüllt; ich spürte es wie eine Liebkosung auf meiner Haut.

„Natürlich hat sie mich umarmt.“ erwiderte ich, und ich spürte, wie mir die Kehle eng wurde beim Gedanken an die schöne, traurige Frau, die ich so tief geliebt und allzu früh in meinem Leben verloren hatte. Dann schlangen sich zwei Arme um meinen Hals.

„Natürlich.“ Ich spürte die weichen Lippen von Éowyn auf meinem Mund, und ich schmeckte einen Hauch von Apfel auf ihrer Zunge, als unser Kuss sich vertiefte. Nach einem kurzen, süßen Moment zog sie sich zurück.

„Ich muss ihr für ihre Tapferkeit danken.“ sagte sie; ihre Daumen liebkosten meine schweißfeuchten Schläfen. „Hätte sie es nicht gewagt, dir ins Wasser zu folgen, du wärst jetzt nicht hier bei mir.“

„Oh, sie war eine gute Schwimmerin, sie wuchs an der Küste auf.“ antwortete ich und vergrub meine Hände in Éowyns blassgoldenem Haar... so warm, so lebendig, so wundervoll zu berühren. Und plötzlich war die Idee da, dem rauschenden Lied des Flusses entsprungen, eine Laune vielleicht, aber ziemlich verführerisch in der Sommerhitze. „Bald danach hat sie mir beigebracht, wie man schwimmt... und ich würde gerne jetzt schwimmen. Was ist mit dir?“

„Schwimmen?“ Sie zuckte zurück wie ein nervöses Fohlen, und als ich ihre Schulter berührte, waren die Muskeln unter meiner Hand starr. „Hier, in diesem Fluss, mitten am Tag, wo uns jeder zuschauen kann?“ Sie schüttelte den Kopf. „Das ist närrisch!“

„Ganz und gar nicht.“ sagte ich, ein wenig erstaunt über ihren Widerstand. Wir waren jetzt fast ein halbes Jahr verheiratet, und abgesehen von der ersten Nacht hatte ich sie nie scheu oder gar prüde erlebt. „Wir sind hier völlig allein, es gibt kein Dorf oder auch nur einen Bauernhof in der Nähe. Dies ist der privateste Platz, den ich mir vorstellen kann, um sich ein wenig zu erfrischen.“

„Ich werde nicht einen einzigen Schritt in dieses Wasser tun,“ sagte sie, ihr Gesicht angespannt, ihre Arme vor der Brust verschränkt. „Ich werde nicht... Ich kann nicht. Ich...“ Ihre Stimme erstarb zu einem Murmeln. Ich machte einen Schritt vorwärts, hob ihr Kinn und schaute ihr in die Augen; das klare helle Blau war erfüllt von einer Mischung aus Zorn und tiefer Verlegenheit.

„Du kannst nicht...“

„Ich kann nicht schwimmen!“ Éowyn stieß ein kleines, verärgertes Lachen aus. „Ich bin auf dem Pferderücken aufgewachsen, ich konnte reiten, beinahe bevor ich laufen konnte und ich bin die Kriegerin, die den Hexenkönig getötet hat, aber nein, ich kann nicht schwimmen.“ Die Verlegenheit in ihren Augen wurde langsam von einem schwachen Grinsen ersetzt. „Im Übrigen habe ich dir meine Strickkunst und mein Weben aus gutem Grund erspart.“ Das Grinsen wurde tiefer. „Gar nicht zu reden von meiner Stickerei...“

Ich schluckte das Gelächter hinunter, das in meiner Kehle aufstieg und begann allmählich, das Mieder über ihrer dünnen Sommerbluse aufzuknöpfen. „Ich bin nicht sicher, was ich wegen des Webens und der Stickerei tun soll und wegen... was war das Dritte?“

„Stricken.“ Éowyns Hand lag über der meinen und führte meine Finger, als es mir endlich gelang, den letzten, kleinen Perlmuttknopf zu öffnen und ich die Träger zusammen mit den Ärmeln der Bluse über ihre bloßen Arme hinunter schob. „Und habe ich jemals erwähnt, dass ich fürchterlich schlecht koche?“ Sie bückte sich, öffnete die Haken ihres Reitrockes und stieg aus den weichen, braunen Stofffalten.

„Nein, das hast du nicht. Aber keine dieser überraschenden Offenbarungen sind fürchterlich genug, um mich bereuen zu lassen, dass ich dich zur Frau genommen habe, Geliebte.“ Sie war jetzt nackt; die Schatten der Bäume zeichneten lebendige Muster auf ihre blasse Haut und für ein paar Momente war ich nicht fähig zu sprechen... sie war das allerschönste Geschöpf, das ich mir vorstellen konnte. Und sie war mein.

„Ich kann dir zeigen, wie man schwimmt, jetzt gleich, wenn du möchtest.“ sagte ich und rang darum, meine Gedanken davon abzuhalten, in eine völlig andere Richtung auf Abwege zu gehen. „Oder wir könnten einfach ein Bad im Fluss nehmen und nahe am Ufer bleiben, wenn du dich dabei wohler fühlst, meine Herrin.“

„Ein Bad wäre wundervoll, mein Gebieter,“ antwortete sie formvollendet, aber das Zwinkern ihrer Augen verriet sie; sie begriff ganz klar, was ich gerade erst gedacht (und begehrt) hatte. Und was ich noch immer begehrte, um die Wahrheit zu sagen.

Ich entkleidete mich, so schnell ich konnte, unterstützt von Händen, die nach sechs Monaten Ehe einiges Geschick erworben hatten, und endlich führte ich sie zum Saum des Flusses hinunter. Das kühle Wasser zu spüren, das über meine Knöchel stieg, und seinen frischen, grünen Geruch einzuatmen war eine Erleichterung und eine Wohltat gleichzeitig. Ich drehte mich zu meiner Frau um und öffnete die Arme. Éowyn stieg in die flachen Untiefen unterhalb des feuchten Grases, schaudernd wie eine verärgerte Katze. Aber bald wurde sie mutiger, und so lange sie deutlich sehen konnte, dass meine Füße fest auf dem Boden standen, wagte sie es, vorwärts zu waten. Es war deutlich, dass sie die kleinen Wellen genoss, die an ihren Knien leckten, über ihre Schenkel hinaufstiegen und endlich ihre schmale Taille umspülten. Wieder war ich gebannt von ihrem Anblick. Sie stand eine lange Weile still, dann kam sie näher und trat hinein in meine Umarmung.

Ich küsste ihren Mund, ihre Wangen und ihre Stirn, und meine Lippen folgten der vollkommenen Linie ihrer goldenen Augenbrauen. Dann hob ich sie hoch und trug ihren Körper durch die schwache Strömung, schwerelos und kühl in meinen Armen. Sie stieß einen kleinen Laut der Überraschung aus, aber dann lagen ihre Arme um meinen Hals und sie atmete gegen meine feuchte Brust, während ich langsam durch das Wasser schritt.

Ein paar Meter weiter hatte der Fluss eine stille Vertiefung ausgewaschen, die mit glatten Steinen gefüllt war. Ich setzte sie vorsichtig auf dem Rand ab. Jetzt berührte das Wasser die Unterseite ihrer kleinen, runden Brüste; ich konnte sehen, dass die blassrosigen Knospen sich angesichts der plötzlichen Kälte zusammenzogen und hart wurden. Ohne zu zögern, ließ ich mich auf dem Boden nieder und zog sie auf meinen Schoß.

„Éowyn...“ Meine Stimme war schwer und heiser, aber es war ihr Mund, der den meinen eroberte, ihre Zunge, die meine einfing, um damit zu spielen. Ich fühlte ihren Busen, unglaublich weich und erregend an meinem Körper, und dann schlossen sich meine Hände um ihre Mitte und sie lehnte sich zurück in den Strom; ihr Haar umfloss ihren Kopf wie bleiches Seegras. Ich richtete mich auf und grub meine Füße in das Kiesbett, und sie hieß mein Verlangen willkommen, auf dem Fluss treibend, während unsere Leiber verschmolzen, sanft vorwärts und wieder zurück gleitend im Rhythmus meiner langsamen Stöße. Endlich kam sie auf dem Wasser in meine feste, atemlose Umarmung hinein und unser Höhepunkt war eine weiche, hitzige Explosion inmitten der grünen Kühle des Flusses. Ihr kleiner Schrei verklang zum Geräusch der Brise, die die Wellen bewegte und den Widerschein der Sonne in zahllose glitzernde Splitter aus Licht zerbrach. Ich hielt meine Frau; ihr Gesicht war an meinem Hals vergraben, während unser Herzschlag langsamer wurde und meine Stimme all die Worte der Liebe in ihr Ohr flüsterte, die ich niemals zuvor gewagt hatte, ihr zu sagen.

*****

Fast zehn Jahre sind seit jenem heißen Sommertag verstrichen; Éowyn ist mittlerweile eine gute Schwimmerin (wobei sie ihr Misstrauen gegen das Wasser nie völlig verloren hat). Obwohl die Gelegenheiten, bei denen es uns möglich ist, uns zum Wasser hinunter zu stehlen, ziemlich rar geworden sind, während wir unsere schönen Kinder aufziehen, die Grenzen unseres Landes verteidigen und für den Garten von Gondor sorgen, gibt es immer noch Augenblicke, in denen wir uns beide erinnern... Und ich kann die Sonne auf dem Wasser sehen, wiedergespiegelt in den Augen meiner Liebsten, und ich spüre die Kühle des Flusses in der kurzen Berührung ihrer Hand... ein Geheimnis, das wir teilen, eine wohl gehütete Erinnerung... und ein unaufhörliches Versprechen.


ENDE


*Alfirin = Quenya für Silberblume
**Rusca
= Quenya für braun


ENDE


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