Sommertagstraum
von Golden

Schweigend schaut er über das weite Land.

Silberne Perlen zwischen Grün und Schatten singen ihr Lied. Sanfte Hand gleitet über glatten Stein. Eine ewige Liebkosung, eine ewige Musik, so lieblich wie warmer Atem auf empfindsamer Haut.

Ein leichte Sommerbrise lässt seine rotbraunen Locken tanzen. Wie Fetzen einer vergangenen Zeit weht der Wind Erinnerungen in sein Herz. Seine Augen beginnen das Damals zu sehen, seine Ohren es zu hören, seine Nase es zu wittern, und seine Haut spürt die wärmenden Sonnenstrahlen von einst.

Lachen.

Fröhliches Schreien.

Unbekümmert.

Nackte Füße auf frischem Gras.

Kleine Hände im erfrischenden Wasser.

Der Duft von wilder Kamille schwebt in der Luft.

Eine Komposition des Glücks.

Er hat gar nicht gemerkt, dass er gewandert ist. Seufzend setzt er sich an den Rand des kleinen Baches und beugt sich über den silbernen Spiegel.

Ein Lächeln umspielt seine Lippen, als er in die funkelnden, grünen Augen schaut, die zum ihm aufblicken. Das Gesicht eines Kindes. Er greift danach, doch es lässt sich nicht festhalten. Feine Wellen verzehren das Bild, zurück bleiben die Augen des Jetzt. Schmerz haben sie gesehen und so viel Furcht und Boshaftigkeit.

Seine Seele tut weh.

Er fühlt den Sand... weich... golden... Jahrtausende alt. Was hat er wohl alles gesehen? Viele Füße müssen über ihn gegangen sein. Zehen haben sich darin vergraben, er ist durch Hände gerieselt. Generationen von Leben im Strom der Zeit.

Der Sand rinnt durch seine Hände, genau wie damals. Und doch sind es nicht dieselben.

Diese Hände haben getötet.

Der Sand rieselt, bis nur ein Körnchen übrig bleibt. Ist das der Rest seiner Kindheit? So lange scheint sie zurückzuliegen, und doch ist es erst wie gestern.

Er hört glückliches Lachen und schaut zum anderen Ufer des langsam dahinfließenden Gewässers. Sein Blick scheint ins Nichts zu gehen, und doch füllen bunte Bilder seinen Geist.

Da laufen und spielen sie. Ein blonder Lockenkopf, gefolgt von einem kleinen Jungen. Er hebt ihn hoch, wirbelt ihn durch die Luft. – Lachen, so klar wie das Plätschern des Baches. Das Licht der Sonne tanzt auf ihren Gesichtern, umschmeichelt die perfekte kindliche Haut wie mit weicher Seide, Licht und Schatten im wohligen Spiel. Blaue Augen voller Wärme, voller Freude und Lebenslust blicken auf die Jungen. Ein herzhaftes Lachen mischt sich mit dem ihren.

Er blinzelt eine Träne weg.

Die Farben verblassen. Die Bilder vergehen, lösen sich auf, dem Morgentau gleich, der den ersten Sonnenstrahlen begegnet. Das Lachen hallt nach…leiser und leiser wird das Echo der Vergangenheit, bis es verstummt.

Er vergräbt sein Gesicht in den Händen. Tränen waschen das Sandkorn davon.

Er spürt einen Arm, der sich um ihn legt. Er blickt auf. Seine Augen treffen auf Augen, die so verändert sind, dass er nicht sicher ist, ob er sie kennt. Er blickt tiefer. Hinter dem Schatten lebt das Einst. Die Liebe, die Wärme, die Fürsorge - sie ist geblieben, ein zeitloses Lächeln, das niemals vergeht.


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