... und schwinden nicht dahin (Not fade away)
von Jael, übersetzt von Cúthalion



11. Kapitel
Ein neues Blatt

IIn diesem Kapitel schließt unsere Heldin den Kreis und es erfolgt eine Ankündigung

Wer immer es auch war, von dem der Ausspruch kam, dass der April der grausamste Monat sei… diese Person irrte sich, dachte Mariposa, während sie im hinteren Schlafzimmerbüro in ihrem Appartement im dritten Stockwerk stand. Es war jetzt makellos sauber, ganz unähnlich dem heimeligen Durcheinander aus dem Tagen, als sie darin gelebt hatte. Sie befand sich zum letzten Mal in diesem kleinen Zimmer, denn sie hatte die Wohnung möbliert an eine junge, geschiedene Mutter untervermietet, die sie durch eine von Aarons Wohltätigkeits-Organisationen kennen gelernt hatte, einem Zufluchtshaus für geprügelte Frauen.

Ihre verwohnten Möbel und selbst ihr Computer, alt und langsam wie er war, würden ein Gottesgeschenk für die Frau sein, die versuchte, sich ein neues Leben aufzubauen. Posey brauchte nicht länger irgendetwas von alledem. Seit ihrer Rückkehr aus dem Osten Ende Januar hatten sie und Glenn in einer bequemen Zimmerflucht in Aarons riesigem Haus in Lake Forest gelebt, gleich neben Hals Unterkunft. Und draußen über den alten Stallungen, mit einem riesigen Fenster, um das Nordlicht einzulassen, befand sich ihr eigenes Studio, von Aaron als Hochzeitsgeschenk für sie frisch renoviert. Als Posey ihm überschwänglich dankte, zuckte Aaron die Achseln, und der Ton seiner Antwort war beinahe barsch. „Ich bin nicht großzügig. Ich erwarte, dass ich meine Investition zurückbekomme. Wenn du soweit bist, dann habe ich die Namen verschiedener Galeriebesitzer, die eifrig bereit sein werden, deine Gemälde zu verkaufen. Schau mich nicht so an. Du hast meinen alten Freund sehr glücklich gemacht, und das ist für mich mehr wert als Smaragde.“

Während der letzten Monate hatte sie ihre Freizeit zwischen der Malerei und diesem Appartement aufgeteilt, aus dem sie ihr altes Leben herausholte und entschied, was davon sie zurücklassen und was sie mitnehmen sollte. Am Ende war es sehr wenig, was sie mitnahm, nur die Photographien ihrer Eltern und ihre Bücher. Als sie ihre Festplatte aufräumte, bevor sie sie für ihre neue Mieterin konfigurierte, war sie auf die alte, gespeicherte Email gestoßen, die den Vibrator anpries, und sie lächelte angesichts der Ironie, als sie sie löschte. Von allen Dingen war das das Letzte, was sie jetzt nötig hatte, denn ihr neuer Ehemann war alles andere als energielos. Mariposa hatte über die letzten drei Monate hinweg gelernt, dass die Erde bebte, wenn ein Elb kam, und dass das Einzige, was eine Sterbliche dann tun konnte, war, sich festzuklammern und den Ritt zu genießen.

Als sie sich umdrehte, um einen letzten Blick auf den Raum zu werfen, glitt ihr Blick zum Hinterhof ab. Auf dem höchsten Zweig des Baumes wuchs ein einzelnes, frisch entfaltetes Blatt. Ihr wurde klar, dass ein Jahr vergangen war seit dem Tag, als sie in diesem Raum gesessen hatte und alles verloren zu sein schien. Jetzt war ihr Leben neu geworden.

Sie legte ihren Schlüssel für die neue Mieterin auf den Tisch und schloss die Tür hinter sich.

*****

Die Harfe war noch leer, als sie dort eintraf. O’Dell nickte ihr mit ernster Höflichkeit zu, wie er es jedes Mal tat, seit sie aus dem Osten zurückgekommen war. „Große Ereignisse heute Abend, Mrs. Butler!“

„Ja, wirklich große Ereignisse.” Grünblatts Spiel, „Die Fahrt zum Einsamen Berg“, war endlich vollständig und an diesem Tag auf den Markt gekommen. Mariposa hatte sich diesen Nachmittag frei genommen, weil sie ihr Appartement schließen wollte, und sie ließ den Rest der Abteilung zurück, um die Ungewissheit vor den Verkaufszahlen des ersten Tages auszuschwitzen; aber an diesem Abend würde es eine Party geben, um die Fertigstellung des Spiels und seine Veröffentlichung zu feiern.

„Sean,“ fragte Posey, „was ist das eigentlich für eine Sache mit dieser ganzen Förmlichkeit, seit ich nach Chicago zurück gekommen bin? Ich bin’s doch bloß!“

„Ah.. aber Miss Mariposa, Sie sind jetzt eine von ihnen. Ich habe es in der Minute gesehen, als Sie letzten Januar zur Tür hereingekommen sind.“

„Von ihnen?“

Er zwinkerte ihr zu. „Ich mag ein amerikanischer Mann aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert sein, hier geboren und aufgewachsen, aber da ist immer noch genug von meinen entrückten, gälischen Vorvätern in mir übrig, dass ich erkenne, wenn ich mit der Gegenwart des Schönen Volkes beehrt werde.“ Sie fing seinen Blick ein und wieder sah sie ein Zwinkern darin. „Also, was darf es heute Abend sein? Ihr üblicher Gespritzter?“

Sie lachte. “Nee, heute Abend schlage ich alle Vorsicht in den Wind. Machen Sie einen Cabernet Sauvignon draus.“

„Sie sind mit diesem Randy-Burschen herumgehangen, oder? Für einen Hausmeister hat er einen ganz schön teuren Geschmack.“

„Sie haben ja keine Ahnung,“ lachte sie und nahm einen Schluck von ihrem Wein. Sie ließ ihren Barhocker herumwirbeln und lehnte sich gegen die Bar; dann schloss sie die Augen und ließ den Wein in ihrem Geist Wirkung tun. Sie fühlte sich angenehm benebelt…

… bis sie hörte, wie sich die Tür öffnete und der Barhocker direkt neben ihr seufzte, als sich jemand daraufsetzte. Sie roch den schalen Tabakmief sofort. Ihre angenehm neblige Stimmung floh, aber sie hielt die Augen geschlossen.

„Hallo, Sue.“

„Hallo, Michael. Der Name ist jetzt Mariposa, falls dir das entgangen sein sollte.“ Das ist er immer gewesen, wollte sie sagen, aber sie hielt den Mund, denn sie wollte sich ihre Laune nicht noch mehr verderben, als es bereits der Fall war. „Also, was führt dich her?“

„Ich habe ein paar von deinen Bildern in einer Galerie in der Francisco Street gesehen. Nett. Was sollte diese Tuschezeichnung darstellen – den Fudschijama?“ Sie hörte, wie er seine Zigaretten hervorholte und daran ging, sich eine anzuzünden; dann hörte sie, wie Sean festen Schrittes näher kam, und ein Rascheln zeigte an, dass das Päckchen und die Streichhölzer in seine Jackentasche zurückkehrten.

„Nein, es war ein anderer Berg. Du würdest ihn nicht kennen.“

„Das Gemälde mit diesen Birken im Schnee dicht am Fluss hat mir gefallen. Du hast eine ziemliche Phantasie… Mariposa.“

„Die habe ich. Freut mich, dass du einen Sinn für Kunst entwickelt hast.“

Er grunzte unverbindlich. „Ich habe draußen vor meinem Appartement ein paar alte Freunde von dir getroffen, letzte Woche. Der große – ich glaube, sein Name war Fitzhugh – hat mich gebeten, dir Grüße zu bestellen. Er sagt, er freut sich darauf, in Zukunft mehr von dir zu sehen.“

Unwillkürlich zuckten Poseys Lippen aufwärts. Das möchte ich wetten! dachte sie. Sie war nicht überrascht, dass Duncan und sein Partner nicht aufgegeben hatten, auch wenn eine hochnotpeinliche Untersuchung der finanziellen Unterlagen von Rivers Enterprises sowohl durch die Steuerbehörde als auch durch das FBI absolut nichts hervorgebracht hatte, so dass man die Ermittlungen gegen Aaron fallen ließ. Diese beiden würden bis zum Ende ihrer Tage hinter ihrem Boss her sein, und sie war nicht im Mindesten schockiert, herauszufinden, dass sie dafür einen neuen Spion rekrutiert hatten. „Du kannst Agent Fitzhugh sagen, die Freude wird ganz auf meiner Seite sein. Also, wie ist das Leben mit dir umgesprungen, Michael?“

Sie hörte ihn seufzen. „Nicht so gut, wie ich es gern hätte. Dank der knallharten Anwälte von deinem Boss hat meine Firma die Sache mit dem Aktienhandel herausgefunden, den ich versucht habe, an dir vorbeizuschmuggeln. Mir wird nicht die Lizenz entzogen oder so was, aber die Partnerschaft werde ich wohl nie kriegen. Und noch schlimmer, als Ashleigh klar wurde, dass ich niemals Partner werde, da hat sie mich fallen lassen wie eine heiße Kartoffel.“

Posey schwieg und nippte an ihrem Wein. Also war ihr Name Ashleigh gewesen, ja? Das passte ins Bild.

„Ich weiß nicht, was ich jemals in ihr gesehen habe, Süße. Jetzt sehe ich, dass ich ein Idiot war, und ich habe mich gefragt, ob du und ich irgendwas zusammen unternehmen könnten, zum Abendessen ausgehen, um über alte Zeiten zu reden… und es vielleicht sogar noch einmal versuchen?“

In den ersten paar Monaten, nachdem er weg war, hatte Posey oft wach gelegen und sich selbst weisgemacht, dass Michael irgendwann zu Vernunft kommen würde und zurück gekrochen käme, um sie um Vergebung zu bitten. Schön, jetzt war es soweit. Er kroch zwar nicht wirklich, sondern stolzierte wie üblich kopflos herum, aber ein Zugeständnis war es trotzdem. Sie hatte ihn genau da, wo sie ihn haben wollte. Die Worte eines alten Liedes gingen Posey durch den Kopf: Und wär mein Lieb ein ird’scher Ritter, Hohe Frau, so wie er’s ist bei Dir in Elfengrau, ich würde den wahren Liebsten mein nicht tauschen für einen der Ritter dein.*

Wahre Liebe. Einmal hatte sie gedacht, das wäre Michael. Die Versuchung war da, ihn nach allem, was pasiert war, zu hassen, und doch konnte sie es nicht. All seine Fehler hatten sie an den Ort in ihrem Leben gebracht, wo sie Glenn begegnet war. Sie öffnete die Augen und betrachtete ihn leidenschaftslos. Sie bemerkte, dass sein teurer Anzug anfing, ein ganz klein wenig über seinen Schultern zu hängen, und einer seiner Vorderzähne wurde schlecht. Er alterte, er wurde schwächer, und sein Äußeres fing an, sich seinem Inneren anzupassen. Und zu denken, dass sie all diese kleinen Unvollkommenheiten geliebt haben würde, wenn die Dinge anders gelaufen wären. Wenn sie nicht gezwungen gewesen wäre, zu lernen.

Sie holte tief Atem. „Es tut mir Leid, Michael, aber dieser Zug ist abgefahren.“

„Sue, wir waren einmal ein gutes Team. Wir könnten es wieder sein.“

Er schaute so hoffnungsvoll drein, dass sie sich dazu bewegt fühlte, ihn leicht vom Haken zu lassen. „Selbst wenn das wahr wäre, ist es unmöglich. Ich habe wieder geheiratet.“

„Was? Wen?”

„Du hast ihn letzten Herbst hier getroffen.“

„Du machst doch Witze!“ sagte er. „Er ist…“

„Andersherum,“ sagte Glenn, der leise hereingekommen war und sich neben sie setzte. „Ich bin immer schon anders gewesen, aber jetzt, wo Mariposa mir etwas gegeben hat, worüber ich glücklich sein kann, bin ich sogar noch mehr verändert.“ Er legte einen besitzergreifenden Arm um seine Frau und küsste sie auf den Scheitel.

Posey widerstand dem Drang, ihm einen heimlichen Rippenstoß zu verpassen. Glenn machte das hier viel zu viel Spaß. „Ich komme schon zurecht, Liebling,“ sagte sie mit einem kleinen Schwanken in der Stimme.

„Also schön. Ich mach mich einfach davon und schau nach, ob ich ein paar gute Songs in der Jukebox finden kann. Nett, Sie wiederzusehen… Marshall, nicht?“

Michael starrte sie wütend an, als Glenn davonging. „Du würdest mich fallen lassen – für das da?“

„Falls du’s vergessen haben solltest – du warst derjenige, der mich fallen gelassen hat, Michael.“ Sie konnte sich gerade noch davon abhalten, hinzuzufügen: Und er ist zweimal der Mann, der du jemals gewesen bist oder jemals sein wirst.

„Na schön, wenn du jemals wieder zu Verstand kommst, dann weißt du, wo du mich findest,“ sagte er und versuchte, dabei zornig zu klingen, aber alles, was er hinbekam, war eine gewisse Traurigkeit.

Ganz recht, dachte Posey, ich hefte diesen Einfall gleich neben Agent Duncans Visitenkarte ab.

Michaels und Lindas Wege kreuzten sich, als er an dem grünen Neon-Kleeblatt vorbeiging. Sie kam herein und setzte sich auf den Platz, der gerade frei geworden war. „Wie ein glücklicher Mann sieht das nicht aus,“ bemerkte sie.

„Vielleicht bleibt er ja weg, wenn ich eine Kette aus Knoblauchknollen aufhänge,“ sagte O’Dell mit unbewegtem Gesicht. „Was darf es sein, Ladies?“

„Noch einen Cabernet für mich,“ sagte Posey.

„Mineralwasser,“ sagte Linda.

„Also, wo ist Leif?“ sagte Posey im Plauderton. Die Tür öffnete und schloss sich jetzt in regelmäßigen Abständen, und die Bar füllte sich.

„Er und Gary sind gleich da. Sie mussten noch auf ein paar letzte Verkaufsberichte warten. Ich wollte mich gleich ins Vergnügen stürzen.“

„Konntest nicht warten, mit dem Trinken anzufangen, hm?“ He... Moment mal, dachte Posey. Das war das erste Mal, dass sie Linda jemals ohne ihren traditionellen Treibstoff zu Gesicht bekam. Sie warf ihrer Freundin einen fragenden Blick zu. „Linda…? Linda!“ Sie quietschte fast vor Entzücken.

Linda nickte und lächelte weich. „Ja. Das bin ich.“

Wie auf’s Stichwort kamen Grünblatt und Gary zur Tür herein. Gary grinste von Ohr zu Ohr und schlug Leif auf den Rücken. „Das sind wunderbare Neuigkeiten! Wann?“

„Januar.“

„Du machst Witze!“

Leif schüttelte den Kopf. „Es gibt eine ausgezeichnete Chance, dass das Baby und ich uns einen Geburtstag teilen.“ Er warf Linda einen heimlichen, liebevollen Blick zu, bevor er nach hinten in Richtung Dartboard ging. Er öffnete es, nahm seine Pfeile heraus, wirbelte anmutig herum und versenkte einen Pfeil ins Schwarze. „Ein Ex-Bogenschütze trifft nie daneben,“ sagte er mit einem Grinsen.

Eine tiefe Stimme kam von einer Sitzbank in der Ecke. „Holt jemand bitte dieser Nachrichtenbörse hier einen Drink, damit er den Mund hält? Diese ganze Prahlerei ist… unziemlich.“

„Abgesehen davon, dass er den Rest von uns neidisch macht,“ sagte Glenn. Er reichte Leif einen Becher dunkles Bier. „Eure Pferdepisse, Herr.“ Mariposa konnte sehen, dass ihr Mann sein erstes Glas Rotwein schon zu drei Vierteln geleert hatte.

„Ich sehe, Aaron kennt die gute Nachricht schon,“ flüsterte Posey, Randy saß in seiner üblichen Sitzecke, trug seine Hausmeisterkluft und hatte ein Glas Wein in der Hand. Diesmal war Felice bei ihm, unter seinem Arm eng an ihn geschmiegt. Sie hatte ihr dunkles Haar unter einer Zeitungsjungen-Kappe versteckt und trug Jeans und ein rotes T-Shirt. Beim Anblick des T-Shirts unterdrückte Posey ein Kichern. Vorne stand in Tengwar-Runen (die für Außenstehende wie ein abstraktes Muster aussehen mochten) der Satz: Moriquendi und stolz darauf!

„Aaron und Felice waren die ersten, denen wir es erzählt haben,“ flüsterte Linda zurück. „Natürlich ist er außer sich vor Freude. Aaron hat lange Zeit darauf gewartet, Vater zu werden und noch viel länger, Großvater zu sein.“

„Und du, Linda?“ fragte Posey.

Linda lächelte nur. „Ich habe sogar noch länger gewartet. Mein Leben begann am Wasser. Ich habe meine erste Liebe an den Dunklen Jäger verloren, und ich dachte, ich würde nie wieder lieben. Ich war unter den Ältesten eines aussterbenden Volkes, aber für uns war Leif eine Wiedergeburt…. und nun wird unser Kind neben neuen Wassern geboren werden. Ich denke, alles, was geschehen ist, hatte einen Grund. Und ich…“ Sie hielt inne und lachte. „Ich fühle mich wieder jung.“

Inzwischen war die Bar voll, aber die Menge wurde still, als Leif die Hände hochhielt und um Aufmerksamkeit bat. „Beruhigt euch mal, ihr alle. Ich habe eine Ankündigung zu machen.“

Sofort gab es tosenden Applaus, ein paar Pfiffe und ein gedämpftes: „Auf geht’s, Daddy!“

„Nein, nicht das!“ fuhr Leif grinsend fort. „Die meisten von euch kennen diese Neuigkeit schon, wie ich sehe. Es ist unmöglich, vor Leuten wie euch ein Geheimnis zu bewahren. Nein, ich bin stolz, zu verkünden, dass die Verkaufzahlen für ,Die Fahrt zum Einsamen Berg’ hereingekommen sind, und unser Spiel hat alle vorherigen Rekorde für Ersttagsverkäufe gebrochen. Das Spiel ist ein Erfolg, Leute! Das bedeutet, dass wir uns definitiv an das nächste Projekt machen. Wir beginnen nächste Woche mit der Planungsphase. Inzwischen – Danke an Euch alle!“

Als der Applaus erstarb, kam Leif zu Posey und Linda an die Bar. Er strich sachte mit der Hand über Lindas Wange und sie lehnte den Kopf an seine Brust.

„Ich nehme nicht an, dass du bereit bist, mir eine kleine Vorschau auf das neue Spiel zu geben?“ sagte Posey, durch den Cabernet befeuert.

„Ich wüsste nicht, warum ich nicht sollte,“ erwiderte er. „Ich bin heute Abend ungewöhnlich weich gestimmt. Stell dir folgendes vor, Mariposa – Graslande, Berge, einen Vulkan, und dieses Mal sind Pferde dabei, jede Menge Pferde. Städte mit weißen Türmen, die in der Sonne glänzen, und ein Geschöpf aus Rauch und Flammen!“

„Wird es Flügel haben?“ fragte Posey. Obwohl sie bei der Hintergrundmalerei hervorragend war, hatte man ihr gesagt, dass sie beim nächsten Spiel auch ein paar Figuren illustrieren würde.

„Flügel?“ sagte er mit einem rätselhaften Lächeln. „Du hast keine Ahnung, wie lange ich darauf gewartet habe, dass ich das mal jemandem erklären kann! Ein Balrog hat---“

Er wurde von Glenn unterbrochen, der an seinem Platz neben der Jukebox stand und sich räusperte. „Das hier geht an einen alten Freund von mir. Ein Kerl, der scheinbar immer ewig gebraucht hat, um in seinem Leben die nächste Stufe zu erklettern. Das hier ist für dich… Opa!“ Er drückte den Abspielknopf.

„I wanna tell you how it's gonna be . . .You're gonna give your love to me.“

Als die Musik der Rolling Stones losdröhnte, konnte Posey sehen, wie Randy den Kopf schüttelte und lachte. Neben ihm auf der Bank kicherte Felice und gab ihm einen Klaps auf die Schulter.

„I'm gonna love you night and day . . .Love is love and not fade away.“

„Ich hab dir ja gesagt, Randy ist ein Stones-Mann,“ lachte Leif. „Entschuldige mich, Posey. Wir beenden diese Unterhaltung nächste Woche. Jetzt möchte ich mit meiner wunderschönen Frau tanzen.“ Er zog Linda auf die Beine und auf den Tanzboden hinaus.

„Your love for me has got to be real . . . Before you'd have noticed how I feel.“

Jetzt stand Glenn neben ihr. „Tanzt du mit mir, meine Hinreißende?“

Sie nickte und fand sich plötzlich in enger Umarmung mit ihm wieder.

„Glenn,“ lachte sie. „Wenn wir versuchen, auf ein so schnelles Stück eng zu tanzen, dann sehen wir aus, als hätten wir Sex im Stehen.“

„Und wo bitte siehst du das Problem?“ flüsterte er ihr ins Ohr. „Schau dir Leif und Linda an. Sie haben gar keine Schwierigkeiten damit.“

Posey schaute zu dem glücklichen Paar hinüber, das sich in eine eigene Welt verabschiedet zu haben schien. Wie üblich waren sie der Inbegriff der Anmut. „Sie sehen auch so aus, als hätten sie Sex im Stehen,“ flüsterte sie zurück, „Es ist einfach sehr ästhetischer Sex.“

„Na, siehst du?“ erwiderte Glenn, als wäre die Frage damit beantwortet.

Posey lachte bloß und gab nach. Glenn fühlte sich einfach so gut an, und er roch so gut!

„Love that lasts more than one day . . . Well love is love and not fade away . . .“

Sie schaute an der Schulter ihres Mannes vorbei zu der Sitzecke hinüber, wo Randy saß, seine Frau dicht neben sich. Mann, Elb – wie immer man ihn auch nannte, er war ein Geschöpf, das das Leben bei den Hörnern packte und sich weigerte, es loszulassen. Als ob er ihre Gedanken lesen würde, hob er sein Weinglas zu einem Trinkspruch und formte mit den Lippen stumm die Worte: „Le Chaim!“

„Well love is love and not fade away . . . Not fade away . . .Not fade away . . .“


ENDE

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Anmerkung der Autorin:

Und hier verlassen wir sie. Nach allem, was ich sie habe durchmachen lassen, war dieses AU eine Liebesbrief von mir an den Elbenkönig und seinen Sohn, außerdem an seinen getreuen Mundschenk. Möge der Grünwald fröhlich sein, während die Welt noch jung ist!

(Anm. der Übersetzerin: Galion wird im Hobbit erwähnt, als Kellermeister und Mundschenk des Waldlandkönigs, der sich bei einem Festbankett der Elben im Weinkeller über Gebühr einen „auf die Lampe“ gießt und damit Bilbo und den Zwergen die Flucht ermöglicht.( „Glenn“ ist damit hochoffiziell der einzige in den Annalen von Mittelerde erwähnte Elb mit einem gewissen Alkoholproblem.)

Der Text zu dem Song Not Fade Away stammt von Norman Petty und Charles Hardin.

* Aus der schottischen Ballade von „Tam Lin“: "If my love were an earthly knight as he is an Elven-grey, I'd not change my own true love for any knight you have." (Anm. der Übersetzerin: Die Übertragung der Zeile ins Deutsche stammt von mir).


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