Saphiras Miniaturen
von Cúthalion


Von Sinnen

Ich drehte mich langsam zu ihm um. Er kauerte in einer Ecke am Boden und zitterte. So sehr, dass ich am liebsten zu ihm hingehen wollte, um ihn zu trösten. Aber ich wusste, er würde es nicht zulassen. Das ist etwas, durch das wir alle alleine gehen müssen.

„Sie kommt nie mehr wieder, oder?“ fragte er mich leise und mit tränenerstickter Stimme. Ich nickte, aber da ich wusste, dass er das nicht sehen konnte, sagte ich leise „Ja.“

Ich wollte dich so gerne trösten, Bruder, doch ich wusste, ich konnte es nicht.

*****

 Und dabei bin ich jünger als er. Und wenn es nach meinem Vater geht, auch der wertlosere von uns beiden. Wo ich gehe und stehe, heißt es nur „Boromir hier, Boromir da.“ Nicht, das ich neidisch wäre, nein. Neidisch bestimmt nicht. Ich gönne ihm ja den Triumph.

Nicht, dass unser Vater jemals anders gedacht oder empfunden hätte seit dem Tag, als unsere Mutter einfach nicht wieder aufstand. In seinen Augen war ich schon immer wertlos, zu nichts zu gebrauchen.

Ich bin nicht neidisch gewesen auf meinen Bruder, den ich so geliebt habe. Nein. Aber immer in seinem Schatten stehen zu müssen, immer nur Zweitbester zu sein, das macht einen nicht glücklich.

Und als du dann in diesem Boot auf mich zutriebst, lieber Bruder, da wurde es mir mit einem Schlag klar. Das, wozu du ausgezogen warst, musste gescheitert sein.

„Er hätte ihn mir bringen müssen. Hier wäre er sicher verwahrt worden, nur in Notzeiten benutzt und sorgfältig bewacht.“

Konnte Vater denn nicht verstehen, was das Ding mit dir angerichtet hat? Was es mit ihm angerichtet hat? Er ist wahnsinnig geworden, schon bald nach Mutters Tod. Und jetzt hat ihn dieser Wahnsinn in den Tod getrieben, und dich auch. Werde ich am Ende gar der Nächste sein? Werde auch ich, von seinem Zauber gebannt, in den Tod stürzen?

Ich will alles tun, damit das nicht geschieht. Ich will am Leben bleiben und dein Andenken in Ehren halten.


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