Angriff der Plot-Bunnies
von Cúthalion


Dich vor Schaden zu bewahren (für rabidsamfan)
(Minas Tirith, Juni 3018)

Du willst verzweifelt gehen. Ich kann es in deinen Augen sehen.

Du hast angefangen zu träumen in der Nacht, bevor wir die Brücke verloren haben. Ich wachte kurz vor der Dämmerung auf und hörte deine Stimme murmeln und stöhnen, und ich beugte mich über dich und berührte deine verbundene Schulter – ein wenig zu fest offensichtlich, denn du bist zusammengezuckt, hast dich ruckartig aufgesetzt und mich angestarrt mit Augen, die nichts sahen.

„Boromir…?”

„Du hattest einen Traum, kleiner Bruder. Muss ein übler gewesen sein.“

Dein Blick klärte sich und dann legtest du dich auf deinen heilen Arm zurück, dein Gesicht bleich und verwirrt in dem gedämpften Licht.

„Nicht wirklich,“ sagtest du langsam, „nur eigenartig... ich verstehe ihn nicht.“

„Was ist passiert?“

Ich musste fragen. Ich bin der Einzige in unserer Familie, der es tut. Vater will nichts hören von deinen Träumen. Der letzte, den du gewagt hast zu erwähnen, hat ihn tagelanng wütend gemacht. Nicht wütend auf mich, natürlich. Immer bist du derjenige, auf den er wütend ist. Immer.

Und wie immer hast du es mir erzählt. Du sprachst von dem verdunkelten Himmel im Osten und vom schwachen Licht aus dem Westen, und von der klaren Stimme aus der Ferne. Du hast das Gedicht zitiert, Reim für Reim. Du hast schon immer einen Sinn für Gedichte gehabt und ohne Mühe die schwierigsten Lieder und Balladen im Kopf behalten, während ich in unserer Studierstube saß, aus dem offenen Fenster starrte und verzweifelt darauf wartete, zu meiner nächsten Schwertkampf-Stunde mit Melendor gehen zu dürfen. Unser Lehrer war ebenfalls verzweifelt, der arme Mann. Aber er war mehr als glücklich, dich zu unterrichten.

Die Dämmerung kam, und der Angriff, und es war keine Zeit mehr, an Träume zu denken. Ich erinnere mich, wie wir aus dem Wasser krochen, nach Atem ringend in der rauchgeschwängerten Luft, blind und taub von den Schreien dieses grauenhaften Geschöpfes, das Verzweiflung und Trauer über die Ruinen brachte, die einst die Krone von Gondor gewesen waren. Wir verloren die Brücke, aber der Feind wurde vom Fluss aufgehalten. Wir hatten die Zeit, heimzugehen und Bericht zu erstatten.

Und jetzt willst du gehen. Du hast Vater gebeten, dich fortzulassen, aber er weigerte sich. Ich hätte es dir vorher sagen können. Und ich habe dich niemals mehr geliebt als für den plötzlichen Trotz in deinen Augen, als er sich abwandte, und für den zweiten Versuch, seine Erlaubnis zu erhalten, der mit einem kalten Blick belohnt wurde und mit einer zugeschlagenen Tür.

Ich liebe ihn, kleiner Bruder. Und ich liebe dich.

Ich möchte nicht, dass du bei diesem Unternehmen verloren gehst,. Wir wissen nicht einmal genau, wo sich dieses Imladris befindet. Hunderte von Meilen zwischen Minas Tirith und ein Ort, der einem Traum entsprungen ist und den Legenden, die du so gerne liest.

Wie viele Male hast du jetzt von dem dunkelnden Himmel und dem schwachen Licht geträumt? Ich weiß, du wirst mir diesen Traum wieder schildern, wenn ich frage, und mehr als einmal. Ich bin der einzige, der dir zuhört, seit Mithrandir fort gegangen ist.

Ich will mein Bestes tun, mich an jedes Wort und jede Zeile dieses seltsamen Gedichtes zu erinnern.

Denn Isildurs Fluch soll erwachen,
und der Halbling tritt hervor.

Was ist Isildurs Fluch? Und was im Namen aller Könige ist ein Halbling?

Wie auch immer, mir ist es gleich. Ich werde an deiner Stelle gehen. Vater wird mich gehen lassen, und ich werde herausfinden, worum es sich handelt, während du hier bleibst. Ich habe Freunde in Rohan, und Vater wird deine Kenntnisse von Ithilien nötig haben.

Vielleicht wird er endlich deinen Wert erkennen, wenn er nicht mehr an mir vorbei schauen muss. Vielleicht wird er das Licht in deinen Augen sehen, und die tiefe Liebe, die du für ihn empfindest. Ich kann sie sehen. Ich weiß, wie sehr du dich mühst, ihm zu gefallen.

Ich liebe ihn, kleiner Bruder. Aber manchmal – nur manchmal – hasse ich ihn dafür, dass er dich nicht liebt.


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