Hier bei mir (Here with me)
von Cúthalion

“I won’t go, I won’t sleep, I can’t breathe
Until you’re resting here with me.”

(© by Dido)

Der Morgen duftete nach sauberem Leinen, nach frisch gemähtem Gras, nasser Erde und Regen.

Lily lag unter warmen Decken, das Gesicht halb in einem dicken, weichen Kissen vergraben; sie befand sich noch in dem glücklichen, sorglosen Zustand zwischen tiefem Schlummer und völligem Wachsein. Irgendwann während der Nacht war sie ihr Nachthemd los geworden... als sie durch halb geschlossene Augenlider blinzelte, konnte sie sehen, dass es von einem der offenen Fensterflügel hing, wo es sich zusammen mit den noch geschlossenen Vorhängen blähte. Ein winziges Kichern sprudelte in ihr hoch; Lily streckte Arme und Beine und vergrub ihr Gesicht wieder in dem Kissen. Ich hoffe, wir waren letzte Nacht nicht zu laut, dachte sie. Wir sollten wirklich ein bisschen vorsichtiger sein.

Zwei Mütter standen kurz vor der Geburt ihrer Babys, und Lily hatte es nicht gewagt, sich von Zuhause fort zu bewegen, obwohl es sehr viel leichter gewesen wäre als üblich; Viola und Fredegar machten einen ihrer seltenen gemeinsamen Besuche in Bockland, zuammen mit den Jungen... selten deshalb, weil Fredegar normalerweise in Hobbingen blieb, wenn Viola den Wunsch hatte, ihre Verwandten zu sehen.

Letzten Abend hatte sie, kurz nachdem sie ins Bett gegangen war, das Prasseln von Kieseln gegen ihr Fenster gehört. Sie öffnete die Vorhänge und sah ihn im Garten stehen; eine dunkle Gestalt mit einem weichen Lächeln und eine kühle Hand, die sich um die ihre schloss, als sie sie in die Nacht hinausstreckte. Er kletterte herein, schloss die Fensterflügel hinter sich und hielt sie innerhalb von Sekunden in einer engen Umarmung; die hungrige Wärme ihres Körpers entfachte das vertraute, berauschende Feuer in ihrem Blut.

Lily spürte, wie er an ihrer bloßen Brust lächelte, als er ihr das Nachthemd über den Kopf streifte und es beiseite warf. Suchende, liebkosende Fingerspitzen webten ein bleibendes, zartes Muster auf ihrer Haut. Sie erweckten Schauder und eine plötzlich aufschießende Hitze im Zentrum ihrer Weiblichkeit. Sie ging rückwärts und zog ihn in einem langsamen, wiegenden Tanz mit sich, ein seidiges Lachen tief in der Kehle. Sie spürte die Bettkante in der Kniekehle, ließ sich in die Weichheit von Kissen und Decken hineinfallen und zog ihn über sich und mit einer fließenden Bewegung in sich hinein.

Sie spürte ihn, machtvoll und lebendig; er füllte ihre Sinne mit dem würzigen Duft nach Moos und Holz, und seine aufreizende Zunge fügte die schwache Schärfe von Pfeifenkraut hinzu. Ihr Kopf fiel nach hinten, sie schnappte nach Luft und wölbte sich der heftigen Spannung seiner Hüften entgegen. Ihre Hände folgten der Linie seiner Lenden und schlossen sich um seine Hinterbacken. Sie spürte die regelmäßige Bewegung der starken Muskeln unter seiner Haut, lauschte auf seinen schweren Atem und sah den Schimmer seiner Zähne in der Dunkelheit.

„Lily...“ flüsterte er mit rauer Stimme, „Lily... hast du... hast du irgendeine.. oh Sterne! ... irgend eine Vorstellung, wie wunderbar es ist...“

Köstliche Hitze und Härte, und die süße, aufreizende Erwiderung in ihrem eigenen, erschauernden Fleisch.

„... auf diese Weise bei dir zu sein...?“

Sie versuchte zu antworten, aber was immer sie sagen wollte, ging verloren, als sein Körper plötzlich in ihren Armen erstarrte. Seine Stimme brach und die Frage löste sich auf in einem tiefen Stöhnen. Sein Höhepunkt traf sie mit übermächtiger Gewalt; ein blendender weißer Lichtstrahl, gefolgt vom stillen Donnergrollen ihrer eigenen Erlösung. Eine Weile war da nichts als ihre gemeinsamen, lauten Atemzüge, die allmählich ruhiger wurden, sein Gesicht an ihrem Hals und seine Hände, die langsam ihr Haar streichelten.

„Ich freue mich zu hören, dass ich dir gefalle,“ flüsterte sie endlich gegen seine Wange. „Manchmal frage ich mich immer noch...“ Sie zögerte und spürte, wie er den Kopf hob und sie ansah.

„Was fragst du dich, Liebes?“

„Wie das hier geschehen konnte.“ Sie lächelte, ein wenig scheu, ein kleines bisschen verlegen. „Wieso du unter allen Frauen ausgerechnet mich ausgewählt hast.“

„Oh... dann hatte ich also eine Wahl?“ Er lachte und seine Umarmung wurde etwas nachdrücklicher. Sie fühlte, wie er sich in ihr regte und unterdrückte einen kleinen Schauder neu erwachender Lust.

„Lachst du mich aus?“

„Das würde ich nicht wagen.“ Sie konnte das Lächeln in seiner Stimme hören. „Erinnerst du dich, wie ich versucht habe, dich fort zu schicken, an diesem Tag, als du im Februar zur Elbischstunde gekommen bist?“

Sie nickte. Wie konnte sie das jemals vergessen?

„An diesem Abend hattest du den Mut, mich zu wählen, meine liebliche Kastanie. Ohne dich hätte ich wahrscheinlich nie etwas gesagt.“

„Wirklich?“

„Wirklich.“ Er küsste sie, und seine Hand verließ ihr Haar und wanderte über ihre Schulter hinunter, um eine Brust zu liebkosen. „Ich saß hinter meinem Tisch, brachte dir elbische Buchstaben und Worte bei, und du warst so schön, dass mir das Herz weh tat. Aber ich hätte es vorgezogen, meine Zunge zu verschlucken; ich hatte noch nie in meinem Leben solche Angst, mich zum Narren zu machen.“

Lily sprach ohne nachzudenken. „Aber hast du denn nicht gesehen, dass ich---“

Sie brach ab; ihr Gesicht brannte in plötzlicher Scham und ihr Geist war erfüllt von der bohrenden Angst zu sagen, was sie sich selbst geschworen hatte nie laut auszusprechen. Hast du denn nicht gesehen, dass du mein Herz von dem Moment an erobert hattest, als du freundlich mit dem kleinen Mädchen auf dem Markt gesprochen hast... dass du eine völlig neue Flamme geweckt hast, als du mir die Hand gegeben und mich an diesem Mittsommerabend auf den Tanzboden hinauf gezogen hast? Dass ich dir gehöre, mit Herz und Seele und bis auf die Knochen... dass ich sterben würde, wenn ich nicht wüsste, dass du in der Nähe bist, dass ich dir etwas bedeute, dass du da sein wirst, wenn ich die grüne Tür öffne?

Sie konnte das nicht sagen, niemals... die Gefahr war zu groß, dass er zurückscheuen würde wenn er wusste, was für Wünsche sie zuweilen hegte, welche Erwartungen und Hoffnungen sie sich selbst mit eisernem Willen verbot.

„... dass ich meine Augen nicht von dir abwenden konnte?“ fuhr sie mit erzwungener Leichtigkeit fort; ihre Hände streichelten seine Arme, folgten der starken, schönen Kontur seiner Schultern bis hinauf zu seinem Nacken und vergruben sich in weichem Haar. Sie spürte, wie er unter ihrer Berührung erschauerte.

„Ich fühle mich geschmeichelt, Fräulein Stolzfuß,“ sagte er. „Und dankbar... für deine Großzügigkeit,“ seine Lippen berührten ihre Stirn, „deinen Eifer,“ sein Mund streifte ihre Nase, „deine Jugend,“ seine Lippen lagen auf den ihren, süß und neckend, schmetterlingszart zuerst, dann mit wachsendem Druck und einer Zunge, die sanft um Einlass bat, „und die Schönheit deines Körpers. Ich fühle mich über alle Maßen beschenkt, meine liebliche Indil.“

Sie zog ihn wieder an sich und spürte mit atemlosen Entzücken, wie sein Verlangen erneut erwachte, eingeschlossen in ihrem nachgiebigen Fleisch. Sie erwiderte den Kuss, bog sich ihm einmal mehr entgegen und hörte, wie er in ihren Mund hinein nach Luft schnappte.

„Schsch...“ flüsterte sie. „Sei jetzt still...“

*****

Die Nacht war allzu rasch vorüber; Frodo ging kurz vor Anbruch der Dämmerung, während Lily noch fest schlief. Der neue Tag erwies sich als erschöpfende Herausforderung. Nachdem die junge Hebamme ihr einsames, erstes Frühstück beendet hatte, erschien Freddy Birkenblatt schweißüberströmt und völlig außer sich auf ihrer Türschwelle. Er stammelte unverständiche Erklärungen und hinterließ den Eindruck, dass seine Frau sich mindestens in Todesqualen wand. Bis zum vermuteten Geburtsdatum von Päonies Baby war es noch mehr als zwei Wochen hin, aber Lily erbarmte sich des verstörten, jungen, werdenden Vaters, holte ihre Tasche und kletterte auf seinen Karren.

Päonie und ihre Küche waren alle beide in einem ziemlich traurigen Zustand; bei dem Versuch, einen Tee für seine Frau zuzubereiten, hatte Freddy ein erstaunliches Chaos angerichtet und eine Teekanne sowie zwei Teetassen zerbrochen. Lily beruhigte die junge Frau und half ihr, sich auf dem Sofa im Wohnzimmer niederzulassen. Sie schob ihr eine warme Decke unter und untersuchte sie vorsichtig. Die angeblichen Wehenschmerzen stellten sich als besonders hässliche Magenkrämpfe heraus, nach dem Genuss von frischen Apfelkompott-Törtchen zum Frühstück. Lily beendete Päonies Untersuchung und untersuchte dann das Glas Apfelkompott; es war letztes Jahr von Päonies Schwiegermutter eingekocht und erst an diesem Morgen geöffnet worden. Das Kompott roch köstlich und war vollkommen genießbar. Nach etwas sanftem Druck gestand Päonie mit niedergeschlagenen Augen, dass sie nicht ein Törtchen gegessen hatte, sondern fünf... eine Anzahl, die selbst den widerstandsfähigsten Magen ins Schlingern gebracht hätte. Lily schüttelte den Kopf, gab Päonie den Rat, sich auszuruhen (und sich sowohl von den Apfeltörtchen als auch von jeglichem anderen Essen in Reichweite fernzuhalten) und fand eine Extra-Teekanne, um darin einen beruhigenden Brombeertee aufzubrühen.

Als Freddy sie gegen Mittag nach Hause fuhr, wartete dort schon der Mann von Prunia Pausbacken auf sie. Lily kletterte von dem einen Karren hinunter und auf den nächsten hinauf, und diesmal war es kein falscher Alarm. Es war Prunias zweites Kind, und weil sie - selbst für einen Hobbit - viel Freude an ihren eigenen Kochkünsten hatte, war es von Anfang an ziemlich schwer gewesen, durch die dicke Fettschicht zu ertasten, wo sich der Kopf des Babys befand. Nach der ersten Stunde fruchtloser Bemühungen tastete sich Lily durch den Geburtskanal vor, aber anstelle des Kopfes berührte sie zwei winzige Füße. Glücklicherweise hatte Amaranth ihr beigebracht, wie sie mit einer solchen Situation umgehen musste. Nach zwei weiteren Stunden harter Arbeit, nach Drücken und Schieben auf einem riesigen Bauch und einem Dutzend heftiger Presswehen kam ein kräftiger kleine Junge so heraus, wie er sollte; sobald er schlüpfrig und krebsrot in den Armen der Hebamme lag, gab er einen herzhaften Schrei von sich.

Lily war mehr als dankbar, als sie wieder zu Hause ankam. Sie träumte von einem langen Bad, um ihren verkrampften Rücken zu entspannen, aber gerade als sie den ersten Eimer unter der Pumpe vollaufen ließ, hörte sie das ungeduldige Klingeln der Türglocke. Sie spähte aus dem Fenster und ihr Herz sank, als sie die kleine, hübsch dekorierte Ponykutsche erkannte. Lobelia Sackheim-Beutlin – wieso musste es ausgerechnet Lobelia Sackheim-Beutlin sein? Lily unterdrückte eine Verwünschung, die sie einmal Sam Gamdschie hatte zwischen den Zähnen zerbeißen hören, als er einen Hammer zur Hand genommen und statt des Nagels seinen Daumen getroffen hatte. Dann zwang sie ihr Gesicht in ein höfliches Lächeln und ließ ihre Besucherin herein. Die Witwe vom Odo Sackheim hatte eine lange Liste von Bestellungen für Bettlaken, Kissen und Bettbezüge mitgebracht (sie war nur allzu bekannt für ihren Geiz anderen gegenüber, aber was sie selbst anging, war sie erstaunlich großzügig), und als sie eine halbe Stunde später nach Hause fuhr, ließ sie eine vollkommen erschöpfte Lily zurück, die schwor, dass sie ihre Tür an diesem Abend für niemanden mehr öffnen würde, selbst wenn es ein Elbenkönig sein sollte, der sie um Einlass bat.

Sie nahm ihr Bad, gönnte sich ein rasches Abendessen mit Brot, kalte Braten und Obst und sank in ihr Bett, ihre Glieder noch immer steif und wund. Einen kurzen, flüchtigen Augenblick dachte sie darüber nach, ihre seltene Freiheit dazu zu nutzen, den Bühl hinaufzuwandern, aber der Schlaf umwölkte bereits ihre Gedanken, und selbst die Erinnerung an letzte Nacht war nicht stark genug, um sie davon abzuhalten, in den Schlaf davon zu driften – und in einen Traum.

*****

Es war früher Abend, und sie ging nach Beutelsend. In ihrem Traum war es bereits Herbst, und die meisten der Bäume hatten ihre Blätter verloren und streckte nackte Arme in einen tiefgoldenen Himmel. Sie kam ans Gartentor und ging den gewundenen Weg zwischen Beeten voller struppiger Astern zur grünen Tür hinauf. Sie war nicht abgeschlossen; als sie den Knauf berührte, schwang sie leicht auf. Sie ging hinein und stand überrascht und verwirrt in der Mitte dessen, was einmal die Eingangshalle gewesen war.

Die Halle war völlig leer... kein Schaukelstuhl, keine Truhen aus dunklem, glänzenden Eichenholz, mit schönen Schnitzereien geschmückt. Der feine, ovale Teppich war verschwunden und es war nichts geblieben, was dem großen, berühmten Smial seinen unverwechselbaren Charakter verliehen hatte.

Sie trat aus der Halle in die Küche. Der Klang ihrer Füße war erstaunlich laut in der Stille, aber hier war es genau dasselbe: kein Tisch, kein Buffet mit sauber aufgereihten Tellern in Weiß und Blau. Die Tür zur größten Speisekammer stand weit offen und die Regale waren leer.

„Frodo?”

Der Klang ihrer eigenen Stimme ängstigte sie; er hallte im Schweigen all dieser verlassenen Räume wieder. Und dann bemerkte sie zum ersten Mal, dass alles mit Staub bedeckt war. Beutelsend sah aus, als hätte hier seit Monaten niemand mehr gelebt.

„Frodo…?”

Er war fort. Er war spurlos und ohne ein Wort verschwunden. Er war verschwunden, ohne ihr zu sagen, wo er hinging.

Sie war allein.

*****

Lily öffnete die Augen und starrte in die Dunkelheit. Sie konnte ihren schweren Herzschlag hören; ihre Hände krampften sich in die Decke, und das Nachthemd klebte ihr feucht an der Haut. Plötzlich war das Einzige, woran sie denken konnte, frische Luft. Hinaus, dachte sie, sofort hinaus, oder ich sterbe hier drinnen, und sie setzte sich auf und schwang beide Beine aus dem Bett. Sie stolperte quer durch das Zimmer und erreichte das Fenster. Mit zitternden Händen öffnete sie es und riss den Vorhang so heftig beiseite, dass der rechte Teil halb herunterkam. Kühle Nachtluft strömte herein; sie holte tief Atem, lehnte sich über das Fensterbrett und fühlte eine kleine Brise, die über ihre schweißnasse Stirn hinwegwisperte. Langsam gewann sie ihre Fassung zurück, aber noch wagte sie es nicht, in ihr Bett zurückzukehren.

Und dann sah sie seinen Umriss vor dem Hintergrund der Geißblattlaube, sehr dunkel auf der vom Licht des Vollmondes mit Silber und Blau übergossenen Wiese. Leichte, lautlose Schritte trugen ihn über das weiche Gras zu ihr herüber. Die ganze Szene kam ihr völlig unwirklich vor, als wäre sie nichts mehr als eine Fortsetzung ihres Traumes, als wäre er kaum mehr als eine Einbildung und ein Schatten. Sie stand da wie eingefroren und starrte ihn mit geweiteten Augen an, bis er direkt vor dem Fenster stehen blieb und sie die kühle, beruhigende Liebkosung seiner Hand auf ihrer Wange spürte.

„Lily.“ Sein Daumen folgte dem Umriss ihres Ohres und streichelte die feste Kontur ihres Kinns. Sie schwieg noch immer und erzitterte unter seiner Berührung wie eine gespannte Bogensehne. „Lily... geht es dir gut?“

„Frodo.“ Sein Name kam aus ihrem Mund wie eine Explosion, und jetzt bewegte sie sich; sie warf die Arme um ihn und hielt ihn an sich gedrückt, und er brauchte mehrere Minuten, bis er über das Fensterbrett klettern, den Raum betreten und das Fenster hinter sich schließen konnte.

*****

„Das war ein merkwürdiger Traum.“

Sie lagen in ihrem Bett, gesättigt und still, und sie hatte endlich beschlossen, ihm von dem Grund für ihre Angst zu erzählen. Im glühenden Nachhall ihrer Liebe kam ihr ihre Panik ziemlich lächerlich und kindisch vor. Frodos Körper bot ihr eine natürliche Wiege und seine Hände hatte einen Ruheplatz auf ihrer Brust und ihrem Bauch gefunden.

„Weißt du, ich hätte keine Wahl, als Beutelsend an die Sackheim-Beutlins zu verkaufen – sie sind meine nächsten Verwandten.“ Er küsste sie auf den Nacken. „Nicht dass ich auf diesen besonderen Zweig des Familienstammbaumes besonders stolz wäre.“

„Ich kann dir die alten Baumscheren meines Vaters borgen...“ sagte sie; zum ersten Mal seit ihrem Traum kräuselte ein schwaches Lächeln ihre Lippen. Sie konnte das Lachen spüren, das seinen Brustkorb erbeben ließ.

„Gute Idee,“ erwiderte er. „Und nebenbei, wenn ich wirklich fortgehen würde, dann stünde Beutelsend nicht monatelang leer. Der Freudenschrei, den du aus Hartbuddel hören würdest, wäre laut genug, um ein halbes Dutzend Träume zerplatzen zu lassen, und du würdest Lobelia wahrscheinlich in Blitzgeschwindigkeit mit einem hoffnungslos überladenen Wagen von dort eintreffen sehen, zum tiefsten Leidwesen der Ponys.“

Eine Weile sagte keiner von beiden etwas. Dann, als könnte er die anhaltende Nachwirkung ihres Schreckens spüren, sprach er wieder.

„Hast du Angst, dass ich dich verlassen könnte?“

Es gelang ihr nicht ganz, den plötzlichen Schauder zu unterdrücken, der ihr das Rückgrat hinunter rann, und sie war sicher, dass er ihn an seiner Haut spüren konnte.

„Ich weiß nicht.“ flüsterte sie. Wie konnte sie ihm ehrlich antworten, ohne sich nur noch verwundbarer zu machen?

„Ich habe keinerlei Absicht, Beutelsend zu verlassen,“ sagte er ernsthaft, „und schon gar nicht das Auenland. Dies ist mein Zuhause, und trotz all meiner Wanderungen und meiner Begegnungen mit Elben und Zwergen bin ich nicht Bilbo Beutlin. Ich werde nicht fortgehen.“ Sie fühlte, wie seine Arme sie ein wenig fester an sich zogen. „Nicht von hier,“ sein Mund berührte ihr Ohr, „und nicht von dir.“

Lily lag reglos da; ihr Atem folgte dem sanften Heben und Senken seiner Brust.

„Ich bin froh, das zu hören.“ sagte sie mit kleiner Stimme, plötzlich überwältigt von einer bittersüßen Erleichterung, die so stark war, dass sie ihr den Atem nahm. Was immer du auch tust, schick mich jetzt nicht weg, hatte sie an jenem unvergesslichen Abend damals im Februar zu ihm gesagt, und es war mehr als ein Angebot gewesen, mehr als eine offene Einladung... es war eine Wahl gewesen und eine Entscheidung, so bindend wie ein Eheversprechen. Und nun hatte er ihr ein Versprechen zurück gegeben, etwas, worauf sie sich verlassen konnte, wenigstens bis auf Weiteres. Dies mochte eine Nacht ohne Träume werden, eine Nacht ohne Fragen und Zweifel, eine wohlverdiente Rast im sicheren Zauberkreis seiner Arme. Sie schloss die Augen und fühlte, wie sein Körper sich entspannte, als er in den Schlaf hinüber glitt.

Eine Nacht des Friedens, dachte sie, während ihr Geist von den Vorboten des Schlummers berührt wurde, eine Nacht der Freude... denn was immer der nächste Morgen auch bringen mag, was immer auch nächste Woche, nächsten Monat oder nächstes Jahr geschehen wird, in dieser Nacht hat die Furcht keine Macht über mich.

Heute Nacht bist du hier. Hier bei mir.


ENDE


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