Guter Rat (Advice)
von Cúthalion, als Geburtstags-Geschenk für Novia

Dezember 1426, kurz vor dem Julfest

„Frodo?”

Peregrin Tuk und Frodo Beutlin saßen im kleinsten Wohnzimmer von Beutelsend, gewärmt von einem kräftigen Feuer, einem vollen Magen und einer Flasche Muskatellerwein aus Gondor. Der Wein funkelte golden in den Glaskelchen, Pfeifenrauch hing in aromatischen Schwaden unter der niedrigen Decke und Rosie hatte soeben einen Teller mit kandierten Früchten und Keksen serviert. Die beiden Hobbits waren dabei, die “letzten Winkel zu füllen”, und in dieser befriedigten, entschieden männlichen Atmosphäre fühlte sich Pippin entspannt genug, um die Angelegenheit zur Sprache zu bringen, die jetzt seit Wochen sein Herz und seinen Geist in Atem hielt.

„Frodo?”

„Hmm…?”

Frodo wandte den Kopf. Er hatte zum Fenster hinaus geblickt, den Wein in seinem Kelch kreisen lassen und den lautlosen Tanz der Schneeflocken draußen mit halb geschlossenen Augen verfolgt. Pippin beobachtete ihn, vom selben Staunen berührt, das er zum ersten Mal empfunden hatte, als Frodo vor vier Jahren ankündigte, dass er heiraten würde. Er sieht glücklich aus, dachte er und betrachtete die wachsende Anzahl von silbernen Strähnen in den dunklen Locken des älteren Hobbits. Älter, vielleicht… aber auch glücklich. Er holte tief Luft.

„Ich würde dir gern etwas erzählen.”

„Und was mag das wohl sein, Pip?”

Pippin räusperte sich; er war sich nicht sicher, wie er sagen sollte, was er zu sagen hatte.

“So schwer?” Frodo lächelte und hob sein Glas zu einem stillen Prosit. „Keine Sorge… da draußen ist niemand, der versucht, uns zu belauschen.” Das Lächeln verblasste, als er den angespannten, entschlossenen Ausdruck auf Pippins Gesicht sah. Und ich wette, ich bin kreidebleich, dachte Pippin unglücklich, das Nächste, was er mich fragen wird, ist, ob mir schlecht ist oder so was.

„Was immer es auch ist, offenbar brauchst du noch mehr Wein, um damit herauszurücken.” Frodo nahm ihm den Kelch aus der Hand und langte nach der Flasche. Pippins Augen hingen an der Stelle, wo der Finger fehlte, und er sah, wie das Feuerlicht sich in dem goldenen Reif spiegelte, den Frodo gleich neben der vernarbten Lücke trug. Nicht den einen, natürlich. Er erinnerte sich an den sonnigen Sommertag, als Lily Stolzfuß den schlichten Trauring auf den heilen Finger gestreift und die alte Wunde ehrerbietig geküsst hatte. Irgendwie gab ihm dieses Bild den Mut, den er dringend nötig hatte.

"Ich nehme mir eine Frau.” platzte er heraus.

Der Flaschenhals klirrte gegen den Glasrand, aber Frodo füllte den Kelch mit ruhiger Hand nach, bevor er ihn zurückgab.

„Ich gratuliere,” sagte er gelassen. „Wer ist denn die Glückliche?”

Pippin starrte ihn mit offenem Mund an, dann lehnte er sich in seinen dick gepolsterten Stuhl zurück und lachte.

“Frodo, du---” Er schüttelte den Kopf. „Ich hätte alles Mögliche erwartet – von ,Du bist viel zu jung, um eine Frau zu nehmen, Junge’ bis ,Ist es denn wirklich nötig, sie zu heiraten, wenn du den ganzen Spaß auch so haben kannst, ohne zu ---‘”

Er brach ab und wurde knallrot.

„N-nein,” stammelte er, „ich nehme an, das hättest du wohl nicht gesagt.”

„Ganz recht, das hätte ich nicht,” entgegnete Frodo gelassen, ein eigenartiges Licht in den Augen. „Das hat man mir erzählt.”

Pippin schüttelte den Kopf, das verlegene Rot wich gesundem Ärger

„Nicht ein einziger Tuk in den Groß-Smials hätte es jemals gewagt ---“ schnappte er mit blitzenden Augen.

Frodo lachte und hob die Hand.

„Du bist wirklich noch jung, mein Lieber,” erwiderte er, „und ich bin ziemlich sicher, dass du nicht jedes Herz in diesem riesigen Bienenstock einschätzen kannst, den du dein Zuhause nennst. Wie auch immer – es waren vor allem Leute aus Hobbingen, die nicht mehr über Lily wussten als das Offensichtliche: sie war eine mittellose Hebamme, es gab keinerlei Verwandte, die sie unterstützen konnten, ich dagegen bin ziemlich wohlhabend. Manche dachten, sie hätte sich in mein Bett geschlichen, um mir mein Geld abzuluchsen.”

„So etwas würde Lily nicht tun!” versetzte Pippin in einem Tonfall abgrundtiefer Überzeugung.

„Sehr ritterlich von dir,” antwortete Frodo und verbeugte sich leicht. „Und überaus wahr.” Er nahm einen langen Zug aus seinem Kelch. “Würde es etwas ausmachen, mir jetzt zu erzählen, wer das Mädchen ist, das du heiraten möchtest?”

„Juweline,” erwiderte Pippin, den Blick unverwandt auf Frodos Gesicht gerichtet. „Juweline von Lang-Cleve.” Sein Vetter blieb still, und er fügte hinzu: „Von den Nord-Tuks.”

„Ich weiß nicht, ob ich mich an sie erinnere,” sagte Frodo langsam. „Es ist eine ganze Weile her, dass ich meinen Verwandten dort begegnet bin. Wie sieht sie aus?”

Pippin blickte in den Kamin; er folgte den flackernden Flammen mit den Augen, während er nachdachte.

„Ein schönes Gesicht, wie ein reifer Apfel,” sagte er endlich, „graue Augen mit langen Wimpern, wie ein wolkiger Tag im Herbst, und ein voller Mund, immer bereit zu lächeln. Langes Haar, das wie dunkler Honig leuchtet, ein wunderschöner Körper, nach dem ich mich Tag und Nacht sehne – und sie liebt mich tatsächlich.” Ein Lächeln spielte um seine Lippen, und er spürte, wie Wärme in seinem Herzen aufstieg. „Sie liebt mich.”

„Ich glaube, ich würde sie gern bald kennen lernen,” bemerkte Frodo; seine Augen zwinkerten. Pippin spürte, wie seine Wangen erneut heiß wurden.

„Ich werde meinen Antrag während des großen Julfestes in den Groß-Smials machen*,” sagte er. „Das ist wohl öffentlich genug.”

Sein Vetter gluckste, während er seinen eigenen Kelch langsam nachfüllte.

„Ich würde einiges darum geben, dabei Zeuge zu sein,” sagte er, „denn ich habe das deutliche Gefühl, dass du die Sache noch nicht an die große Glocke gehängt hast. Haben deine Eltern irgendeine Ahnung von deinen Plänen? Oder Merry?”

Pippin schüttelte den Kopf und biss sich auf die Lippen.

„Nicht einmal Merry?” Frodo pfiff durch die Zähne. „Mein lieber Peregrin, ich fühle mich durch dein Vertrauen sehr geehrt. Was ist mit deiner Braut? Hast du die Absicht, sie ebenfalls zu überraschen?”

Pippin spürte, wie sich sein Magen zu einem Knoten verdrehte. „Glaubst du, das sollte ich tun?” fragte er beunruhigt. „Meinst du, ich sollte zuerst mit ihr reden?”

Frodo lehnte sich zurück und streckte sich in seinem großen Sessel.

„Ich bin sicher, du kennst ihr Herz besser als ich,” sagte er. Ein winziges Lächeln funkelte in seinen Augen. „Glaubst du, sie fällt in Ohnmacht – oder reißt sie dir stattdessen vielleicht den Kopf ab?”

Pippin rief sich den warmen, sonnigen Tag ins Gedächtnis, als er und Juweline sich Angesicht zu Angesicht gegenüber gestanden hatten, die Heugabel zwischen sich… und den Moment, als seine Lippen die ihren berührten und alles in seiner Welt wundersamerweise seinen rechten Platz fand. **

„Nein,” sagte er; seine Stimme klang nachdrücklich und vertrauensvoll. „Weder das eine noch das andere. Sie wird mir die Überrumpelung vergeben… sie weiß sowieso, dass ich sie zur Frau will.”

“Dann gratuliere ich dir nochmals,” erwiderte Frodo. Er stand auf, ging zu dem runden Fenster hinüber und öffnete es. Ein Schwall frischer, eisiger Luft wehte herein und brachte die Kerzen zum Flackern. Pippin hievte sich aus seinem Sessel, ein wenig benommen von einem üppigen Abendessen und drei Gläsern Wein; er trat neben seinen Vetter. Der Schneefall hatte aufgehört. Ein kräftiger Wind hatte die Wolken vertrieben und der Himmel wölbte sich über dem Bühl wie eine Kuppel aus tiefschwarzem Samt, mit glitzernden Juwelen bestreut und gekrönt von der bleichen Lampe des Vollmondes. Eine dünne Schneedecke bedeckte Wiesen, Hecken und Wege. Während die beiden Hobbits hinaus blickten, näherte sich ein kleiner Karren und kam vor dem Gartentor zum Stehen. Pippin spürte, wie sich Frodo neben ihm straffte.

„Lily kommt nach Hause,” sagte er. „Sie hat den ganzen Tag im Kornblum-Smial verbracht und Viola Kornblum dabei geholfen, ihre Zwillinge auf die Welt zu bringen. Sie muss erschöpft sein. Würdest du mich einen Augenblick entschuldigen?”

„Natürlich.”

Pippin blieb allein in dem Wohnzimmer zurück. Er schloss das Fenster und die Vorhänge, legte ein paar Apfelholzscheite auf das Feuer und schürte es zu neuem Leben. Leise Stimmen kamen aus dem Nebenzimmer. Die Tür war angelehnt, und ohne nachzudenken, öffnete Pippin sie ein klein wenig weiter und schaute durch den Spalt.

Die Eingangshalle war fast völlig dunkel, abgesehen von dem orangefarbenen Glühen, das vom Hauptkamin kam und dem gelben Lichtkreis der Lampe in der Fensternische neben der grünen Tür. Pippin sah nichts außer dem Profil seines Vetters, und dann seine Hände, die sich hoben, um seiner Frau den Wollschal vom Kopf zu streifen. Er sagte etwas, das Pippin nicht verstand und beugte sich vor, um Lily zu küssen. Seine Finger vergruben sich in dichtem Haar, das zu glänzenden Zöpfen geflochten und hochgesteckt war. Pippin ertappte sich bei der Vorstellung, wie Lily wohl mit gelöstem Haar aussehen mochte und spürte, wie seine Wangen erneut brennend heiß wurden. Instinktiv trat er zurück und schloss die Tür.

Ein paar Minuten später kam Frodo zurück; er trug ein Tablett mit einer neuen Flasche Wein und einem Teller mit kleinen Pasteten vor sich her. Pippin schnüffelte; plötzlich war die Luft von einem Geruch nach Schnittlauch, gebratenen Zwiebeln und Rindfleisch erfüllt, von dem ihm das Wasser im Mund zusammenlief.

„Die hat Rosie gemacht, für den Elf-Uhr-Imbiss morgen früh; ich dachte, sie ist mir nicht böse, wenn ich ein halbes Dutzend davon stibitze, um sie an dich zu verfüttern.”

"Oh großzügigster von allen Edelhobbits!” Pippin grinste, nahm eine Pastete und steckte sie sich in den Mund. Die Kruste krachte zwischen seinen Zähnen und der Geschmack der Füllung explodierte auf seiner Zunge… sie war üppig gewürzt, heiß und köstlich. “Hmmmmm… und Rosie ist eine großartige Köchin. Kommt Lily nicht auf einen Abendimbiss zu uns?”

„Ich habe sie ins Bett gebracht,” erwiderte Frodo, „sie hat ihren Schlaf nötig. Einer Frau im ersten Kindbett bei der Geburt von Zwillingen zu helfen ist nicht nur Schwerstarbeit für die Mutter, sondern auch für die Hebamme. Du wirst sie morgen sehen.”

Er öffnete die zweite Flasche und warf Pippin einen nachdenklichen Seitenblick zu.

„Ich mag mich ja irren,” sagte er, „aber könnte es vielleicht sein, dass du noch etwas anderes auf dem Herzen hast?”

„Äh…” Pippin langte nach der zweiten Pastete und machte kurzen Prozess damit. „Um genau zu sein… ja.” Er schluckte und schaute wieder in den Kamin.

„Noch ein Glas Wein, damit du den Mut aufbringst… oder wenigstens, um deine Zunge zu lockern?”

Pippin hob den Kopf und betrachtete das Gesicht seines Vetters. Frodos Augen waren voller Zuneigung, Wärme und einem Hauch Mutwillen. Der junge Hobbit nahm den angebotenen Kelch und leerte ihn mit einem einzigen, langen Zug bis fast zur Hälfte.

„Ich hätte nie gedacht, dass du eines Tages heiratest,” brachte er endlich heraus. „Wie… äh… wie fühlt es sich an?”

Frodos Augenbrauen stiegen in die Höhe, bis sie fast unter seinem Haaransatz verschwanden.

“Es fühlt sich großartig an,” sagte er, „Lily ist eine wunderbare Frau.” Er kniff die Augen zusammen. „Hör mal, Pip… wenn du Angst davor hättest, dich zu erklären, dann würdest du nicht hier sitzen und lyrische Oden an die Schönheit deiner Braut anstimmen. Es kann wohl kaum die Ehe sein, die dir Sorgen macht.”

Pippin gab ein kurzes, verlegenes Lachen von sich.

„Das ist wahr. Nicht einmal meine zukünftige Schwiegermutter macht mir wirklich Sorgen.” sagte er. “Und Opal ist ein wahrer Drachen.”

Frodo grinste. „Ich nehme an, dass du nie die Gelegenheit hattest, Viola Stolzfuß zu begegnen, oder? Sie lebt ganz am anderen Ende von Bockland – ein Segen, für den ich den Valar jeden Tag aufs Neue danke. Also, wenn es nicht die Ehe ist, und nicht deine Schwiegermutter…”

Er runzelte die Stirn und suchte plötzlich Pippins Blick, als würde ihm dessen geheimer Zwiespalt endlich dämmern. Und dann hatte Peregrin Tuk das seltene Erlebnis, den Herrn von Beutelsend heftig erröten zu sehen. Frodo holte tief Luft und beugte sich vor; er schloss beide Hände um seinen frisch gefüllten Kelch, als suchte er nach Halt.

„Pippin, ” sagte er, sein Tonfall ein ganz klein wenig scharf, „du willst doch nicht allen Ernstes, dass ich dir die… äh… die Tatsachen des Lebens erkläre, oder?” Er schüttelte den Kopf, als hätte es ihm vorübergehend die Sprache verschlagen. „Es kann doch wohl nicht sein, dass ich hier mit einer echten, männlichen Jungfrau sitze!”

Pippins Wangen passten ausgezeichnet zum glühenden Gesicht seines Vetters. „Natürlich nicht!” schnappte er und wartete verzweifelt darauf, dass sich unter ihm der Boden auftat und ihn verschluckte. „Es gab ein paar Mädchen hier und da, vor der Fahrt…”

Frodo räusperte sich.

„Abgesehen von deinem Ruf als der abenteuerlustige Erbe des Thain und Ritter des legendären Königs der Menschen habe ich auch so ein paar Geschichten gehört… ebenfalls von vor der Fahrt. Da gab es eine Jungfer in Tukhang, glaube ich… eine gewisse Butterblume…”

„Butterblume Braunlock?!” quietschte Pippin und schoss in seinem Sessel hoch. „Ehrlich Frodo, ich habe nie… nie im Leben… 1417 haben wir ein paar Mal den Springelring getanzt, und es gab sogar eine viel versprechende Nacht auf den Feldern… also gut, ich sag dir was. Wenn du den preisgekrönten Zuchteber von Bauer Braunlock aufscheuchst, der gerade nach Eicheln wühlt, und wenn du dann um dein Leben rennst, ein Paar rote Augen und zwei Hauer hinter dir, dann bleibt dir auch nicht viel Lust auf weitere… äh… Versuche.”

Frodo starrte ihn an, das Gesicht unbewegt. Dann fing er an zu lachen.

„Peregrin Tuk,” schnaufte er, nachdem er wieder zu Atem gekommen war, „du willst mir doch nicht weismachen, dass die Erinnerung an einen wütenden Eber… nein, das ist Blödsinn.” Er schluckte einen weiteren Kicheranfall herunter und tat sein Bestes, wieder ernst zu werden. „Ich nehme an, du bist mit den grundlegenden… den grundlegenden Einzelheiten der Sache vertraut?”

„Frodo, bitte.” Pippin zählte im Stillen bis zehn. „Ich bin weder eine Jungfrau noch ein Narr… wenigstens nicht ein völliger Narr.” Er schluckte. „Aber das hier… das ist anders, und es ist ernst, und es geht um die Frau, die ich liebe, die Frau, die ich sehr bald heiraten möchte. Ich habe Angst, ich könnte sie erschrecken oder ihr weh tun.” Nach einem Augenblick des Schweigens fügte er sehr leise hinzu: „Es könnte ja immerhin ihr allererstes Mal sen.”

Frodo sah ihn an; seine Augen füllten sich langsam mit einer neuen, ehrlichen Hochachtung.

„Jetzt verstehe ich,” sagte er ruhig. „Dies ist etwas, was du wahrscheinlich nicht mit deinem eigenen Vater besprechen möchtest.” Das Lächeln kehrte in sein Gesicht zurück. „Obwohl er dich überraschen könnte; die Ehe deiner Eltern ist schon immer sehr glücklich gewesen, und das aus guten Gründen.”

Pippin verspürte das typische Unbehagen aller Kinder bei der bloßen Erwähnung der Dinge, die seine Eltern im Schlafzimmer miteinander anstellen mochten. Frodo sah den Ausdruck auf seinem Gesicht und gluckste.

„Keine Sorge, wir werden das nicht vertiefen,” sagte er beruhigend. „Also schön, Junge… wie kann ich dir helfen? Was genau möchtest du wissen?”

Pippin machte eine hilflose Geste und grinste ein wenig einfältig.

„Was ich tun soll…?”

Frodo hob lachend beide Hände. „Oh nein, Pippin, ich werde keine Liste für dich aufstellen, wo du sie wann berühren und was du wann zu ihr sagen sollst. Ich werde dir einen eher… allgemeinen Ratschlag geben.”

Er verfiel in Schweigen, und jetzt war er, es der in die Flammen im Kamin starrte. Pippin betrachtete das vertraute Gesicht mit den dunklen, ausdrucksvollen Augen und dem empfindsamen Mund; alter Schmerz und bittere Erfahrungen hatten dieses Gesicht mit tiefen Linien gezeichnet, aber er konnte auch Erfüllung und eine stille Freude sehen, die in früheren Jahren nicht da gewesen waren… wenigstens nicht diese Art von Freude. Pippin hatte kaum etwas über Lily Stolzfuß gewusst, bevor sie Frodo heiratete, und er hatte nur eine ungefähre Ahnung davon, was die junge Hebamme und den weit älteren Erben von Beutelsend zusammengeführt hatte. Eines Tages würde er sich die Zeit nehmen und die beiden bitten, ihm ihre Geschichte zu erzählen. nächstes Jahr vielleicht, nachdem das Tohuwabohu des Heiratsantrages und der Hochzeit vorüber war.

Er spürte einen plötzlichen, überwältigenden Impuls der Dankbarkeit, dass er tatsächlich die Zeit hatte, seinem Vetter jede Frage zu stellen, die er ihm stellen wollte. Nach der Fahrt hatte es Augenblicke gegeben, in denen die Furcht, Frodo an seine Leiden und seine qualvollen Erinnerungen zu verlieren, ihm den Schlaf geraubt hatte. Er hatte nichts gewusst von dem Angebot, das die Königin von Gondor Frodo gemacht hatte, als sie ihm den weißen Edelstein schenkte… Merry hatte ihm davon erzählt, gleich nach der unerwarteten Hochzeit in Beutelsend. Pippin konnte die Worte mit verblüffender Klarheit in seinem Geist hören: Du hast Recht, Pip, wir kennen sie kaum, hatte Merry gesagt, das Gesicht über dem Kragen seines besten Hemdes seltsam grimmig, aber wir sollten dankbar sein, dass sie sein Herz gewonnen hat, und dass es ihr gelungen ist, es zu heilen. Wir hätten genauso gut an den Anfurten stehen und diesem Elbenschiff nachwinken können… bloß dass Bilbo nicht der einzige Hobbit an Bord gewesen wäre.

„Pippin?”

Er kehrte mit einem Ruck in die Gegenwart zurück. Frodos Hand lag auf seinem Arm: der Herr von Beutelsend schaute ihn an, eine sanfte Frage in den Augen.

„Wenn du meinen Rat möchtest, dann solltest du versuchen, zuzuhören,” sagte er, „es ist sehr spät und ich werde nicht jünger. Ein warmes Bett mit einer schlafenden Frau darin wartet auf mich… etwas, das du kaum abwarten kannst, nicht wahr?”

Er lehnte sich wieder zurück.

„Wie ich schon sagte – ich werde dir keine Liste geben, was du tun sollst. Es gibt nur eine einzige goldene Regel, eines, was du dir zu Herzen nehmen solltest, wenn du möchtest, dass die erste Nacht für euch beide eine wirklich erfreuliche Sache wird – denk zuerst an ihr Vergnügen.”

Pippin runzelte die Stirn. „Was meinst du damit?”

„Du weißt, was ich damit meine,” sagte Frodo beinahe ungeduldig, „Du hast deine Zwiens jetzt schon ein paar Jahre hinter dir, oder? Die Entschuldigung jugendlicher Gier gilt nicht mehr – jedenfalls nicht ganz und gar.”

Ein kleines Lächeln, aber sein Blick blieb sehr ernst.

„Wenn sie deinen Antrag annimmt, dann wirst du hoffentlich für den Rest deines Lebens das Bett mit ihr teilen,” fuhr Frodo fort, „und die erste Nacht wird ihr einen guten Eindruck davon verschaffen, was für eine Art Ehemann – was für eine Art Liebhaber – du wahrscheinlich sein wirst. Nimm dir Zeit… versuch, herauszufinden, was ihr am besten gefällt. Hör ihr zu… wenn sie dir vertraut, wird sie dir hoffentlich sagen, was sie möchte. Und selbst wenn sie zu scheu oder zu ängstlich sein sollte, etwas zu sagen… es gibt andere Wege, herauszufinden, was ihr Vergnügen bereitet. Nutze deine Hände und deinen Mund… und stille ihren Hunger zuerst, nicht deinen. Glaub mir, die Belohnung wird gewaltig sein.”

Pippin sah ihn an, gebannt von der warmen Stimme und dem Leben, das sie zu versprechen schien… Juweline neben ihm, ihr Körper Nacht für Nacht in seinen Armen, ihre Liebe seine Stärke und ihr Lächeln sein Entzücken.

Zu seiner Überraschung hörte er sich selbst sagen: „Mir scheint, dass du ganz genau weißt, wovon du sprichst, mein lieber Frodo.”

„Ich habe dir mehr als zwanzig Jahre voraus, was das Alter angeht, und vielleicht auch die Erfahrung,” erwiderte sein Vetter. „Und ich habe den Unterschied zwischen bloßer körperlicher Anziehung und echter Liebe kennen gelernt. Es ist eine Sache, ein hübsches Mädchen zu begehren und eine gänzlich andere, sich tatsächlich an sie zu binden. Begehren und Anziehung waren es, mit denen zwischen Lily und mir alles anfing… aber ich habe die Sache nicht ernst genug genommen. Ich habe sie enttäuscht, auf mehr als eine Weise, und mehr als einmal.”

Pippin gab ein ungläubiges Geräusch von sich. „Du? Du würdest doch sicherlich nie…”

„Oh, das würde ich, und glaub mir, ich habe es getan,” unterbrach Frodo ihn, „Du solltest deinem Schicksal danken, dass du kaum die Gelegenheit hattest, eine Frau im Stich zu lassen. Unsere Liebe begann im Winter 1417; es war ein Geheimnis und Lily musste sich nach Beutelsend hinauf schleichen, um bei mir zu sein und das Bett mit mir zu teilen. Sie hätte erwischt werden können, dem bösen Klatsch jedes einzelnen Hobbits zwischen Wasserau und Wegscheid zur Beute, und ich nehme an, dass ich es nur ihren Fähigkeiten als Hebamme zu verdanken habe, dass sie nie schwanger wurde… aber auch so blieb sie zurück, als ich das Auenland verließ. Und damals waren wir weder versprochen noch verheiratet; ihre Mutter hatte ihre Brüder nach Bockland mitgenommen, ihr Vater war schwach und krank… sie hatte niemanden, der sie schützte.”

Er hielt inne, sein Gesicht müde und bleich. Alte Bilder schienen in seinen Augen zu flackern und verdunkelten sie zu mattem Schwarz... aber dann seufzte er tief und schüttelte mit sichtlicher Anstrengung seine Erstarrung ab.

„Als ich zurückkam, war sie verändert – ebenso wie ich,” fuhr er leise fort. “Wir waren beide an Herz und Geist verwundet, und ich brauchte fast zwei Jahre, um wieder aufzubauen, was ich viel zu leichtfertig fort geworfen hatte, bevor ich auf die Fahrt ging. Als ich ihr vor vier Jahren den Ring gab, machte ich ihr nicht nur ein Eheversprechen. Ich schwor, sie zu beschützen, sie mit allem zu versorgen, was sie braucht und sie mit Körper und Seele zu schätzen und zu ehren, für den Rest meines Lebens.”

Er erhob sich aus seinem Sessel und wieder spürte Pippin die Berührung seiner Hand, flüchtig und sanft.

„Das ist alles, was du wissen und tun musst,” sagte Frodo. „Schätze und ehre sie, und versuch, ihr Freude zu bereiten, so gut du kannst… und du bekommst es hundertfach zurück.”

Er ging zur Tür. Pippin drehte sich um.

„Hundertfach?” Die Dankbarkeit und ein schräges Lächeln machten seine Stimme hell.

„Mindestens hundertfach.” erwiderte Frodo; seine Augen leuchteten, „Und mehr… viel, viel mehr, als du dir jemals vorgestellt hast. Gute Nacht, mein lieber Pip – und du solltest die Finger vom Rest in der Flasche lassen, oder du musst morgen einen von Lilys Kater-Tees kosten. Sie wirken wirklich gut, aber der Geschmack ist scheußlich.”

Er schloss die Tür hinter sich und war fort. Pippin lehnte sich zurück; er fühlte sich seltsam friedlich… und mehr als nur ein wenig erschöpft. Der Gedanke, sich aus seinem bequemen Sessel hoch zu stemmen, um durch die dunklen Gänge in sein Gästezimmer zu schleichen, war wenig verlockend, und er kuschelte sich tiefer in die dicken, weichen Polster.

Du bist viel, viel mehr als ich mir jemals vorgestellt habe.

Die selben Worte, die Frodo benutzt hatte, aber die erste, die sie zu ihm gesagt hatte, war Juweline gewesen, an jenem zauberhaften Tag, als er sie zum allerersten Mal geküsst hatte. **

Schätze und ehre sie.

Er schloss die Augen, und sein Kopf sank nach hinten. „Ich kann es kaum erwarten…” Der Kelch fiel ihm aus der schlaffen Hand und rollte unbeschädigt über den Wollteppich davon. Von einem Moment zum anderen war Peregrin Tuk fest eingeschlafen; er träumte von ungesehenen Wundern und unbekannten Freuden, ein Lächeln auf dem Gesicht.

ENDE

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* Die Geschichte dieses Antrages wird in Ein ganz besonders Julfest erzählt.

**Dieser Kuss (ebenso wie das Zitat vom Ende der Geschichte) stammt aus der Erzählung Die Eine von Ariel.


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