Erntefeuer (Harvest Bonfire)
von Cúthalion

Für Novia

Oktober 1427

„Rosie?”

Die Hebamme von Hobbingen öffnete die grüne Tür von Beutelsend und spähte in die Eingangshalle. Es kam keine Antwort. Morgendlicher Sonnenschein strömte durch die Fenster herein und ließ einen Strauß Astern mit Tönen von tiefem Gold und Rostrot aufflammen. Niemand war zu sehen.

„Rosie? Bist du da?”

Sie trat ein, stellte ihre Tasche auf den Boden und hängte ihren Mantel an einen der Haken an der Wand. Normalerweise hätte ein Tohuwabohu geherrscht aus vier Kinderstimmen, den Liedern und dem sanften Schelten ihrer Mutter und dem Lachen ihres Vaters, aber Sam war auf dem Weg nach Wegscheid. Er hatte bei einem Händler eine neue, spezielle Züchtung Tulpenzwiebeln bestellt und war eifrig darauf bedacht, sie nach Beutelsend und in die Erde zu bekommen, ehe es fror. Bevor Lily noch einmal rufen konnte, hörte sie das Tapsen kleiner Füße, die den Hauptkorridor heraufkamen. Elanor, Sams und Rosies Erstgeborene, kam in Sicht. Sie trug ein Nachthemd, ihr langes, blondes Haar war zerzaust und löste sich halb und halb aus ihren Zöpfen. Klein Rosie folgte ihr auf den Fersen, beide Hände für ein besseres Gleichgewicht ausgestreckt, einen Ausdruck tiefer Konzentration auf ihrem rundlichen, hübschen Gesicht. Sie hatte sich Zeit genommen, erst mit dem Krabbeln, dann mit dem Laufen, und diese neue Erfahrung war eine immer noch sehr aufregende und zuweilen überwältigende Angelegenheit.

„Tantchen Lily?“

Ein fröhlicher Ausbruch sprudelnden Gelächters und Lily bückte sich gerade noch rechtzeitig, um das kleine Mädchen mit beiden Armen aufzufangen. Sie hob sie hoch, roch den süßen Duft nach Milch, Butterbrot und sauberer Kinderhaut und erwiderte den Blick aus haselnussbraunen Augen.

„Guten Morgen, Süße! Hast du letzte Nacht gut geschlafen, hm?“

„Ja!“ krähte Klein Rosie. „Jajaja!“

„Sie vielleicht, aber ich nicht.“ Das war Elanor, die jetzt am Fenster stand und in den dunstigen Herbstmorgen hinausblickte. „Sie schnarcht.“

„Solch ein winzig kleines Mädelchen und schnarcht wie ein Bär?“ Lily lachte. „Oh, ich sehe schon, du hast einen ganz schönen Schnupfen, nicht wahr? Nein, Kätzchen, nimm nicht meinen Ärmel, hier hast du ein Taschentuch. Und jetzt musst du so laut hinein blasen wie in die Trompeten des Königs – sehr schön, das ist mein Mädchen. – Elanor, wo ist deine Mutter?“

„Im Schlafzimmer, Tantchen Lily. Sie hat gesagt, sie kommt wieder und zeigt mir, wie man abwäscht – ich hab das noch nie allein gemacht – aber sie ist noch nicht wiedergekommen und ich hab Angst, dass ich was zerbreche.“

„Hm.“ Lily setzte Klein Rosie ab. „Würdest du deine Schwester vielleicht gern mitnehmen und ihr ein schönes Kleid aussuchen? Ich unterhalte mich ein bisschen mit deiner Mama und ich bin sicher, dann finden wir auch eine Lösung für das Problem mit dem Geschirr.“

Sie sah zu, wie die beiden Mädchen gehorsam wieder den Gang hinunter verschwanden und blieb eine Weile zurück, die Stirn leicht gerunzelt. Dann straffte sie den Rücken und machte sich auf den Weg ins Schlafzimmer.

*****

Als sie die Tür zu dem Raum öffnete, wo Sam und Rosie schliefen, bemerkte sie zwei Dinge: es war sehr still and das Bett war nur halb gemacht. Laken und Decken waren sauber gefaltet und die Kissen aufgeschüttelt, aber die Flickendecke, die Rosie von ihrer Großmutter geerbt hatte, lag halb auf dem Boden, als wäre sie mitten in der Hausarbeit vergessen worden.

Rosie stand mit dem Rücken zu ihrer Besucherin am Fenster. Sie gab keinen Laut von sich, aber ihre Schultern bebten.

Lily öffnete den Mund. Bevor sie etwas sagen konnte, kam der erste hicksende Laut eines schläfrigen Babyjammerns aus dem nächsten Zimmer.

Sie sah, wie der Körper ihrer Freundin sich versteifte und hörte ein scharfes, schluchzendes Atemholen. Rosie wirbelte herum, machte einen Schritt in Richtung Tür und entdeckte die junge Hebamme. Im Gegensatz zu ihren geröteten Augen wurde ihr Gesicht nur noch bleicher.

„Oh... L-Lily... Ich wusste nicht...“

„Natürlich nicht.“ Lily lächelte beruhigend und sprach in äußerst behutsamem Ton, als versuchte sie, ein entsetztes Pony zu beruhigen. „Liebes, bist du krank?“

„N... nein. Es ist bloß... entschuldige mich. Merry braucht...“

„Wann hast du ihn das letzte Mal gefüttert?“

„Vor einer halben Stunde. Er braucht...“

„Er braucht bestimmt nicht noch mehr zu essen“, unterbrach Lily sanft, „Wenn er immer noch so gierig trinkt wie bei seiner Geburt, dann hat er bestimmt Schwierigkeiten mit seinem Magen. Ich mach ihm ein bisschen Fencheltee, aber erst gebe ich seinem armen Bäuchlein mal eine anständige Massage.“

Rosie öffnete den Mund, als wollte sie widersprechen, aber dann schloss sie ihn wieder. Plötzlich setzte sie sich schwerfällig auf das Bett.

„Ich bin so müde“, flüsterte sie. „Ich bin so müde, Lily.“

„Dann hast du genau den richtigen Ort gefunden, um dich ein bisschen auszuruhen, nicht wahr?“ Lily streckte die Hand aus und streichelte ihrer Freundin die Wange. „Und du trägst sogar noch dein Nachthemd – kluges Mädchen.“ Sie nahm die Flickendecke, faltete sie zusammen und hing sie über die Lehne des Schaukelstuhls am Fenster. Dann schlug sie die Bettdecke zurück. „Komm schon, Rosie, leg dich hin. Überlass Merry mir.“

„Aber Elanor und Rose... und Klein Frodo...“

„Elanor und Rose hab ich gesehen... wo ist Frodo?“

„Schläft noch...“ murmelte Rosie und rollte sich mit einem Seufzer unter der Decke zusammen. Lily sah mit einiger Befriedigung, wie sie sich tiefer in das Kissen schmiegte, während ihr langsam die Augen zufielen. „Letzte Nacht ist er dreimal ins Zimmer gekommen... hat gesagt, er kann nicht schlafen...“

„Dummes Kerlchen.“ Lily lachte leise. „Keine Sorge, Liebes. Ich hole ihn aus dem Bett und mach ihm Frühstück.“ Sie ging zum Fenster hinüber und schloss die Sonne mit den roten, bestickten Vorhängen aus, die sie Rosie zu ihrem letzten Geburtstag geschenkt hatte. Dann schlich sie aus dem Zimmer, machte die Tür hinter sich zu und wandte sich dem nächsten Raum zu, wo das Wimmern drohte, sich in ausgewachsenes Geschrei zu verwandeln.

„Und jetzt zu dir, junger Herr Meriadoc“ sagte sie mit einem Lächeln, „Laut, hungrig und anstrengend wie dein Riese von einem Namensvetter, nicht wahr...?“

*****

Sam kam spät an diesem Nachmittag aus Wegscheid zurück. Er brachte Lutz in den Stall und ging durch den Garten zur grünen Tür. Als er den Knauf drehte, öffnete sich die Tür zu Licht, Wärme und dem köstlichen Duft nach frisch gekochtem Essen.

„Rosie?”

„Nein, ich bin’s, Lily.”

Er schloss die Tür und starrte sie erstaunt an; sie saß in dem Schaukelstuhl neben dem Kamin, Klein Merry fest schlafend auf ihrem Schoß. Klein Frodo kniete auf dem Boden und zog eifrig ein hölzernes Pony mitsamt Karren über den Teppich; Elanor und Klein Rosie saßen auf einem Stapel Kissen, legten zwei Stoffpuppen schlafen und sangen ihnen ein leises Wiegenlied. Es war eine ziemlich idyllische Szene, aber plötzlich verspürte er einen scharfen Stich der Angst.

„Stimmt was nicht mit Rosie? Ist sie--- hat sie---“

„Nichts, was ein paar Nächte ungestörter Schlaf und ein paar Tage Ruhe nicht heilen könnten“, sagte Lily. „Merrys erster Zahn plagt ihn jetzt schon eine ganze Weile und Frodo hat wohl auch ziemlich turbulente Nächte, wie Rosie mir heute erzählt hat. Sie schläft jetzt... genau genommen hate sie heute kaum etwas anderes getan als zu schlafen. Deine Töchter waren eine große Hilfe – Elanor hat den ganzen Abwasch gemacht und Rosie hat auf den Topf mit Kartoffeln fürs Abendessen aufgepasst. Ich hätte die ganze Arbeit nicht ohne die beiden geschafft.“

Sam sah das humorvolle Zwinkern in ihren Augen und den plötzlichen Stolz auf Rosies und Elanor Gesichtern, und er musste lächeln.

„Die drei Großen haben schon gegessen“, fuhr Lily fort, „und wenn du sie jetzt ins Bett bringst, dann deck ich den Tisch für dich. Nach einem ganzen Tag auf dem Markt musst du hungrig sein.“

Sam schwang Klein Frodo auf seine Schulter hinauf und nahm die Hände seiner beiden Töchter. Sie gingen den Korridor zu den Schlafzimmern hinunter und er überließ sich der vertrauten Gute-Nacht-Zeremonie. Seine Kinder schienen fröhlich genug zu sein, und er empfand eine tiefe Dankbarkeit für die stille Art, mit der Lily die Dinge in die Hände nahm und sie zu einem guten Ende brachte. Irgendwie macht sie das immer, dachte er, als er die Decke um Rosies warmen, kleinen Körper feststeckte und sich umdrehte, um das Buch mit der richtigen Geschichte zum Vorlesen auszusuchen.

Als er eine halbe Stunde später zurückkam, fand er eine üppig gefüllte Schüssel mit Rindfleisch, Kartoffeln, Lauch und Möhren in einer sahnigen Sauce und einen großen Krug Bier vor. Er setzte sich an den Tisch und aß mit herzhaftem Appetit, denn er war wirklich sehr hungrig gewesen. Lily füllte still seinen Teller und Krug nach, bot ihm frisch gebackene Brotscheiben an und beschäftigte sich damit, vergessene Spielsachen vom Boden aufzusammeln, bis er mit dem letzten Bissen Brot den letzten Tropfen Soße aufgewischt hatte. Es war Sam, der zuerst sprach.

„Hab ich was falsch gemacht?“ fragte er.

Lily betrachtete ihn mit milder Überraschung.

„Nein, hast du nicht“, antwortete sie, „und Rosie auch nicht. Sie hat vier Kinder. Frodo muss immer noch lernen, wie man richtig durchschläft, und Merry zahnt. Das reicht völlig, um jede junge Mutter an den Rand ihrer Kräfte zu bringen.“

Sam schüttelte den Kopf und schaute auf seine Hände hinunter; ein Knoten der Schuldgefühle zog sich in seiner Magengrube zusammen. „Sie hat nie was gesagt.“

„Aber natürlich hat sie das nicht.“ Lily gab ein kurzes, schnaubendes Lachen von sich. „Deine Rosie ist eine wundervolle Mutter – es gibt ein paar Kinder in Hobbingen, die ich lieber hier sehen würde als da, wo sie tatsächlich sind... glücklicherweise nicht viele. Sie ist mit Geschwistern aufgewachsen – was immer hilft – und wenn sie jemals wütend wird, dann macht sie nicht den Fehler, das ihre Kleinen das ausbaden müssen. Sie war viel zu beschäftigt damit, Mutter zu sein, um rechtzeitig um Hilfe zu bitten. Es ist ganz einfach Erschöpfung, mein lieber Sam. Sie braucht bloß ein bisschen Ruhe.“

„Was kann ich tun?“ fragte er.

„Frodo ist jetzt fünf. Nimm ihn von Zeit zu Zeit mit und gib ihm ein bisschen was im Garten zu tun. Er hat zwei Schwestern, und in seinen Augen zählt das Baby nicht als richtiger Junge. Wenn du den Gedanken ertragen kannst, das er in deinen Gemüsebeeten einigen Schaden anrichtet, dann kannst du ihm vielleicht helfen, dass er sich wichtig fühlt. Und mehr Stunden an der frischen Luft machen ihn auch müde genug, um nachts durchzuschlafen. Siehst du, du würdest zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.“

„Gute Idee.“

„Und wo wir gerade von Ruhe reden – übermorgen gibt es das erste Erntefeuer auf den Feldern. Soll ich Frau Kattun fragen, ob sie die Jungen nimmt? Sie würde Merry liebend gern verwöhnen und Frodo könnte eine großartige Zeit mit seinen Onkeln verbringen. Ich kann Rosie und Elanor zu mir nehmen, für eine Nacht oder zwei. Was meinst du?“

„Das ist wundervoll, Lily.“ Sam lächelte und spürte, wie er sich in plötzlicher, freudiger Erleichterung entspannte. „Die Mädchen wären schrecklich gern bei dir. Elanor hat mir erst gestern erzählt, das sie dein großes Buch lesen will; sie ist felsenfest überzeugt, dass da nicht Kräuterrezepte drinstehen, sondern Zaubersprüche.“

Lily lachte.

„Lily Stolzfuß, die Hexe von Hobbingen!“ Sie schüttelte den Kopf. „Also das ist etwas, woran ich noch nie gedacht habe... ich fürchte bloß, an mir ist so gar keine Zauberei.“

Sam langte über den Tisch, nahm ihre Hand und küsste sie.

„Sei dir da mal nicht so sicher.“ sagte er.

*****

Das Wetter für das erste Erntefeuer des Jahres hätte nicht besser sein können. Der dunkelnde Himmel über den hohen Haufen aus Laub, Holz und getrocknetem Kartoffelkraut war wolkenlos und klar. Ein halbes Dutzend Zwanziger hatten den gesamten Nachmittag damit verbracht. Tische und Bänke aufzustellen; ihre Stimmen hallte durch die frische, kalte Luft wie ein Herbstlied.

Sam und Rosie kamen mit ihren drei älteren Kindern. Klein Merry war bereits auf dem Kattunhof zurückgelassen worden, in den fähigen Händen von Margerite, die mit ihren fünfundachtzig Jahren keine Magd und auch keine Amme mehr war... allerdings gab es kaum etwas, das sie über Kinder nicht wusste. Sie hatte Lily Stolzfuß als Baby gestillt und gab eine wunderbare Extra-Großmutter ab. Elanor und Klein Rosie hatten jeweils eine Tasche mit einem Nachthemd, ihrem Lieblings-Geschichtenbuch und ihren Stoffpuppen gepackt, und sie fühlten sich, als läge ein großes Abenteuer vor ihnen. Lily begrüßte die beiden mit einem strahlenden Lächeln und sie begannen das Fest mit einer großzügigen Portion Röstkartoffeln. Speck und süßen, in Honig und Weinessig gedünsteten Zwiebeln. Sie sahen zu, wie die betagteste Einwohnerin von Hobbingen, - die hundertvier Jahre alte Rosamunda Straffgürtel – eine Fackel nahm und den ersten Scheiterhaufen in Brand setzte. Es gab lärmenden Jubel und bald bildete sich ein großer Kreis aus Tänzern um das hoch aufschießende Feuer.

Zu ihrer Überraschung wurde Rosie mit ihrem Ehemann allein gelassen, und mit einem Zwinkern in den Augen nahm er ihre Hand und zog sie mit sich zu den Flammen hinüber. Als sie zurückschaute, sah sie, dass Klein Frodo auf den Schultern seines Onkels Jolly ritt, einen Ausdruck reiner, ausgelassener Freude auf dem Gesicht. Lily saß an einem der Tische , fütterte Klein Rosie mit Kartoffeln und plauderte gleichzeitig mit Elanor, und Rosie fühlte sich plötzlich, als könnte sie völlig neu gewachsene Flügel ausbreiten und davonfliegen. Sie und Sam schlossen sich dem Kreis der Tänzer an, und irgendwo hinter ihnen erhob sich ein klarer, fröhlicher Tenor mit einem der altvertrauten Erntefeuerlieder:

Erntefeuernacht und das Feuer lacht
Flammenrot und Gold, Herbst fängt an die Wacht...

Rosie spürte die Rockfalten, die ihr um die Beine wirbelten, und das feuchte Gras unter den Fußsohlen. Der Rhythmus des Tanzes pulsierte durch ihren Körper und der Geruch von brennendem Holz und Laub erfüllte ihre Nase. Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit verlor sie sich völlig in der Musik und der wundersamen Verzauberung des Augenblicks... und Sam war da. Seine warmen Finger, der Arm, der sie besitzergreifend umfasste und der liebende Blick in seinen haselnussbraunen Augen waren ihre Wurzeln. Als sie atemlos zum Stehen kamen, erwachte sie wie aus einem Traum.

„Komm mit nach Hause, Mädel“, hörte sie Sams Stimme, erfüllt von Lachen und etwas anderem, das ihr Herz rascher schlagen ließ, „komm mit mir nach Haus, Liebste.“

Sie folgte ihm so eifrig wie nur irgendein Mädchen im überwältigenden Rausch der ersten Liebe, aber sie wandte sich für einen letzten Blick zurück. Klein Rosie kletterte gerade auf die Knie ihrer Großmutter, und Lily Stolzfuß saß auf der Wiese, vor dem kalten Erdboden geschützt durch einen Stapel Kissen. Elanor thronte auf ihrem Schoß und deutete zum Himmel.

„Komm, Liebste“, sagte Sam noch einmal und zusammen gingen sie die Straße hinunter, die durch Hobbingen führte, den Bühl hinauf.

*****

Sie lagen einander schon in den Armen, bevor sich die grüne Tür hinter ihnen schloss; sie küssten sich und streichelten einander mit ungeschickten Händen, als hätten sie es noch nie zuvor getan. Rosie schmeckte Bier auf seiner Zunge und die süße Schärfe von Zwiebeln und Pfeifenkraut, und sie spürte, wie leises Gelächter und hitzige Freude tief in seiner Brust vibrierten. Seine Hände wanderten über ihr Schlüsselbein; sie fanden die Schwellung ihrer Brüste, fingen eine harte Brustwarze durch die Stoffschichten von Mieder und Bluse ein, drückten zu und kniffen sachte. Sie stöhnte laut in seinen Mund hinein und wich zurück.

„Langsam, Lieber...“ flüsterte sie und versuchte, ihre Atmung wieder unter Kontrolle zu bekommen. „Das hier ist nicht Vaters Scheune... niemand wird uns Ärger machen. Wir sind allein.“

„Der Herrin sei Dank“, Er hauchte ein Kichern über die bloße Haut ihrer Schulter. „Das erste Mal, als wir das hier tatsächlich in der Scheune von deinem Vater getan haben, kamen Nibs und Jolly im schlimmsten aller Augenblicke, und das Einzige, was mir die Haut gerettet hat, war ein schneller Kopfsprung in den nächsten Heuhaufen!“

„Die Erinnerung ließ Rosie ebenfalls kichern. „Trotzdem würde es ein paar Vorteile haben, uns in unserem Schlafzimmer umzuziehen“, sagte sie mit mühsamem Ernst, „Die Laken sind schön weich, und noch besser – es gibt kein pieksendes Stroh!“

Er nahm sich genügend zusammen, um die Kerzen in einem der Kerzenhalter anzuzünden, und sie gingen den Korridor hinunter in ihr Schlafzimmer. Er stellte den Kerzenhalter auf den Nachttisch und sah zu, wie sie sich auszog. Langsam löste sie die Haken ihres Mieders und öffnete die kleinen Knöpfe ihrer Bluse. Dann schob sie die Träger ihres losen Unterhemdes über die Arme hinunter; sie genoss die Wärme und den unverstellten Hunger in seinen Augen. Endlich zog sie den Rock aus und legte sich auf das Bett.

Sie schaute zu ihm auf. Seine breite Brust wurde von den flackernden Flammen erhellt; das kurze, krause Haar auf seiner Brust verwandelte sich in ein weiches, goldenes Fell. Plötzlich spürte sie das tiefe, hungrige Verlangen nach ihm wie einen scharfen Stich im Zentrum ihrer Weiblichkeit, und sie segnete Lily. Sie hatte seit Wochen in einem Nebel der Erschöpfung gelebt und es nie gemerkt, und jetzt fühlte sie sich wundervoll wach. Er beugte sich vor und sein Mund bedeckte den ihren. Sie zog ihn zu sich herunter und in die sehnsüchtige Wärme ihres Fleisches hinein, und jeder Gedanke, der nicht Sam war, verschwand aus ihrem Kopf.

Ihn zu lieben und seine Härte zu empfangen fühlte sich überraschend neu an, und doch war es das nicht. Sie erinnerte sich dankbar an die Art, wie er es liebte, berührt zu werden, die Stellen, die sie während langer, herrlicher Nächte zu finden und zu liebkosen gelernt hatte... das grollende Geräusch, das er machte, wenn sie sein Ohrläppchen zwischen die Zähne nahm und sich dann abwärts bewegte, wenn sie ihre Zunge benutzte, um eine lange, köstliche, feuchte Linie zu seinem Hals hinunter zu ziehen. Sie wölbte sich unter ihm, ihre Stimme ein atemloses Lied aus Freude und Begehren, und als sie seinen Höhepunkt heiß und fließend in sich spürte, antwortete sie mit ihrem eigenen Gipfel und hielt ihn in sich fest wie die lebendige, flackernde Glut des Erntefeuers.

*****

Rosie erwachte mitten in der Nacht. Der Smial war still. Fast zu still, dachte sie, aber nach diesem Wochenende würden die Stimmen ihrer Kleinen die vielen Zimmer wieder erfüllen. Sie freute sich darauf, sie wieder zu haben, und dieses Wissen machte sie so schwindelerregend glücklich wie der warme, vertraute Körper neben sich. Sie drehte sich um und drückte einen langen, zärtlichen Kuss auf seine Wange. Seine Antwort war ein beinahe unverständliches Gemurmel und zwei Arme, die sich um sie schlossen.

Sie atmete den würzigen Geruch seiner Haut sein und plötzlich kam ihr das Bild von Lily, wie sie sie an diesem Abend gesehen hatte, in den Sinn; in einen warmen, dunklen Mantel gehüllt, das lange Haar, das sich langsam aus dem dicken Zopf löste, der ihr den Rücken hinunter hing. Es flatterte kupferrot im wechselnden Licht der Flammen, und die langen Strähnen mischten sich mit den blassgoldenen Locken des kleinen Mädchen, das auf ihrem Schoß saß. Sie sah die verschränkten Finger der beiden und ihr Lächeln, während sie miteinander sprachen und Lily Elanor die Sterne zeigte, und sie waren schön. Elanor, die leuchtete von der silbrigen Berührung der Herrin, ein seltsames Spiegelbild ewiger elbischer Schönheit in der altvertrauten Wiege des Auenlandes. Und Lily, deren Lieblichkeit irdischer und schlichter war, die Schönheit fruchtbarer Erde, von tief verwurzelten Bäumen und scharlachroten Herbstblättern... aber auch sie war anders, berührt und auf seltsame Weise gesegnet von der Liebe dessen, der das elbische Licht in sich zuletzt mitgenommen hatte über das Meer.

Rosie lächelte.

Danke, dachte sie, danke, dass du da bist... Und mit der farbigen Erinnerung and ihre Freundin und ihre älteste Tochter im Herzen trieb sie gemächlich zurück in einen tiefen, friedlichen Schlaf.


ENDE


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